Der Hausmann will zum Kiosk am Bahnhof, den neuen „Spiegel“ kaufen. Früher – vor ein paar Monaten noch – fuhr er zum Lesen in die Stadt in die Bibliothek. Die Zeiten haben sich geändert. Wir haben uns geändert. Heimlich, still und leise, ohne Brimborium. Ich weiß nicht, ob das ein gutes Zeichen ist. Weil mir nach einem langen Tag am Schreibtisch Bewegung gut tun wird, schließe ich mich dem Hausmann an. Wir nehmen den Weg über die Rehwiese, in der Dämmerung jagt eine einsame Fledermaus. Am Nikolassee riecht es nach Abwasser und Gülle. 

Es wird einen neuen Lockdown geben, da sind wir uns einig. Gibt es denn kein deutsches Wort? Ausgangssperre trifft es ja nicht ganz. Hausmann erzählt von Harari, der in einem Interview mal wieder ein düsteres Bild unserer Zukunft gemalt hat. Ich mag Harari nicht. Am Kiosk hängt ein Schild. „Bin in 10 Minuten wieder da.“

Ich wollte den ganzen Sommer schon bei dem neuen Italiener ein Glas Wein trinken. Der Italiener ist geschlossen, kein Wunder, wie soll der mit einem einzigen Tisch drinnen sein Geld verdienen? Der ebenfalls neue Laden ein paar Schritte weiter ist noch geöffnet. Es gibt Empanadas, das wäre interessant, hätten wir nicht vor zwei Stunden gut gespeist. Wir bestellen Rotwein, den wir draußen vor der Tür trinken, eine Decke auf den Beinen.

Und plötzlich, ich weiß nicht, wie wir darauf kamen, sind wir bei der Hütte im Wald, die einen unterirdischen Vorratsraum haben sollte, man müsste da wirklich langfristig und vorausschauend planen, auch eine Quelle in der Nähe wäre angeraten, Solarzellen, Saatgut, Waffen nicht zu vergessen. Denn natürlich ist das Leben in dieser Zukunft gefährdet. Die Alten sind überflüssig. Man bringt sie zur Erholung ans Meer, nur kommt keiner zurück. Und der Hausmann hat schon 8 Frauen in der Hütte, mehr Platz ist nicht. Erst als ich mit dem 100 Jahre alten Whisky winke, darf ich mit hinein. Alles Nonsens. Spaß. Natürlich.

Zu Hause google ich das Harari-Interview.

„Wir sind heute in der Lage, die perfekte Diktatur zu errichten……Zum ersten Mal in der Geschichte ist die totale Überwachung möglich……Es kommt auf das Ausmaß der Krise an. Im Spannungsfeld zwischen Gesundheit und Privatsphäre werden die Menschen fast immer bereit sein, letztere zu opfern…“

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