Die freundliche Radiomoderatorin verspricht ein wenig Frost am Morgen und Sonne für den Feiertagsspaziergang. Kein Schnee in MV. Nirgends. Es wird etwas kälter, so viel könne man sagen, mit Sturm ist nicht zu rechnen, mit Schnee eben auch nicht. Die Taschentücher sind alle. Wie lautet die alte Regel? Drei Tage kommt er, drei bleibt er, und drei Tage braucht so ein Schnupfen, um sich zu verabschieden? Wunderbar, wenn ich wieder in Berlin bin, wird es vorbei sein.

Zwischen den Schienen vor unserem Bahnhof steht ein Tannenbaum, der war gestern schon da, aber seit heute trägt er eine Lichterkette. Über dem Bodden das schönste Licht der letzten Tage. Wilde Pflaume und ein Rot, da schwirrt einem der Kopf.

Wir waren in Stralsund, um ein wenig zu schlendern, alte Bekannte zu besuchen und unsere Vorräte für die Feiertage zu vervollständigen. Der Weihnachtsmarkt am alten Markt besteht aus fünf Buden und ein paar einsamen Tannen. Die Besucher am Nachmittag kann man an einer Hand abzählen. Das Nikolai Cafe hat immer noch leckeren Kuchen und nebenan in St. Nikolai wird alles für die morgige Andacht geschmückt.

Ich bewundere die neuen Fenster von Schreiter, durch die blaues Licht in einen kleinen Raum der Stille fällt. Dann entscheide ich spontan, dass St. Nikolai meine Lieblingskirche ist. Nicht St. Marien in Lübeck, die zwar klarer und irgendwie protestantischer ist, die mich aber nie so in die Knie zwingt oder mir das Gefühl gibt, auf besondere Weise nach Hause zu kommen.

Dann machen wir uns auf die Suche nach einem Bioladen, ich brauche noch ein Brot ohne Weizenzusatz. Niemand scheint uns helfen zu können. In einem Feinkostgeschäft, das vor allem durch anspruchsvolle Preise besticht, in dem wir aber Barbarie-Entenbrust bekommen, fragen wir die Kassiererin. Sie ist ehrlich bemüht. Also warten sie mal, ich bin ja nicht von hier, nicht, aber ein Bioladen? Geben müsste es einen. Sie schaut auf die beiden einsamen Gestalten hinter uns. Die haben unsere Frage nicht verstanden. Jedenfalls tun sie so. Nicht in jedem Norddeutschen ist ein Helmut Schmidt versteckt. Die Kassiererin möchte wirklich helfen. Hallo! Weiß hier jemand, wo ein Bioladen ist? Der Mann hinter uns, bisher schweigsam und in sich gekehrt, wird etwas munterer. Nö. Wir ernähren uns ja gesund.

Also gut, es gibt keinen Bioladen. Jedenfalls keinen, der sich bei einem Spaziergang durch die Altstadt finden lässt. Dafür entpuppt sich der kleine Wochenmarkt in der Fußgängerzone als ein Ort kulinarischer Freuden. Ein Käsestand mit kleinen feinen Köstlichkeiten, wo wir kurzentschlossen einen Monts de Joux erstehen, den wir morgen mit ein wenig Wein und Muskat in den Ofen schieben werden. Dazu ein kleiner Salat, ein gutes Baguette, fertig ist das Festtagsmahl. Ein paar Schritte weiter Wurst, Saft und Wein aus eigener Herstellung, eine kleine Lebensmittelmanufaktur aus Bassendorf.

Der Mann bekommt glitzernde Augen und weiß nicht, wofür er sich entscheiden soll. Kaninchen mit Whisky, das wäre eine wunderbare Vorspeise. Ente mit Chili und Ingwer, das muss man unbedingt probieren. Und ein Glas mit gemeiner Leberwurst sollte man immer im Haus haben. Zum Schluss noch eine kleine Salami von Wildschwein und Hirsch, die Gefahr des Verhungerns ist fürs erste abgewendet. Und morgen, also morgen Kinder wirds was geben.

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