Bevor es richtig kalt wird, sollten die Blumenzwiebeln in die Erde. Ich überlege, ob es eine gute Idee ist, dies vor der Arbeit zu tun. Immerhin bin ich froh, dass ich mich heute wieder bewegen kann. Gestern Abend saß ich völlig erschöpft bei fish & ships in der Friedrichstraße, die Augen wären mir beim Essen fast zugefallen, mein Rücken war kurz davor, sich in zwei Teile zu spalten, und ich dachte, ich würde dort für immer sitzen bleiben. Oder wenigstens für die nächsten fünf Stunden.

Dabei hatte ich meiner Kollegin auf dem Weihnachtsmarkt zum Abschied erzählt, ich würde wahrscheinlich noch ins Far Out zum Tanzen gehen. Weil ich das als sportliche Betätigung für mich wiederentdeckt habe. Ein Sport, der mir wenigstens Spaß macht. Allerdings war ich bisher in der Lage, die Tanzfläche aufrecht zu betreten. Gestern wäre es nur auf allen Vieren möglich gewesen. Ich habe es gerade noch von unserem Stand bis zur Personaltoilette geschafft, dort fiel mir auf, dass ich mich kaum bewegen konnte.
Zu Hause lag ich noch eine Stunde in einer Art Koma auf dem Sofa, bevor ich mich wieder halbwegs normal fühlte. Es ist mir ein Rätsel, wie manche Menschen es schaffen, täglich acht oder gar zehn Stunden auf einem Fleck zu stehen. Ich glaube nicht, dass es allein mit dem Faktor Gewöhnung zu tun hat.

Heute Vormittag habe ich brav alle Übungen absolviert, die Schmerzen liegen im unteren Level meiner persönlichen Schmerzskala, die sich, seit ich mit einer neuen Schmerztherapie angefangen habe, ein wenig noch unten korrigiert hat. Also rein in die Regensachen, in die dicken Stiefel, die Mütze über die Ohren, wo sind die Gartenhandschuhe, und wer hat die Schaufel versteckt? Schon hocke ich im Garten und hebe kleine Löcher aus. Tulpen und Narzissen aus Amsterdam. Zu den Zwiebeln gesellen sich ein paar Tränen. Das war ein anderes Leben.

Eins, in dem ich noch nicht mit einer Recovery Version alle Daten auf meinem Laptop gelöscht hatte. Darunter nicht nur sämtliche Fotos, die im letzten Jahr entstanden sind, nein, ich vermisse auch einen langen Text, also, um genau zu sein, fehlt mir ein Roman, den ich – ja, so dumm kann man sein – nicht extra gespeichert hatte. Ich hatte zwar gedacht, dass ich, aber ich hatte nicht. Vorbei.
Vielleicht war das mit ein Grund für die darauf folgende Depression. Die noch nicht endgültig vorbei ist, aber immerhin sitze ich hier und schreibe. Und liege manchmal nachts wach im Bett und fühle mich leicht. Ich muss mich selbst lieben, sage ich mir. Und es tut gar nicht weh, wenn ich das denke. Ich habe angefangen, über die kleinen und größeren Beben zu schreiben, die mir in diesem Jahr beschert wurden. Und diesen Text speichere ich immer gleich. Ja. So mache ich das.

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