Um das Haus pfeifen Winde, die waren im Sommer und Herbst noch nicht da, es knackt, rauscht, knirscht, ich schlafe trotzdem gut und lange, was ja nicht selbstverständlich war in den letzten Wochen. Mit der Kaffeetasse in der Hand ein wenig herum laufen und mich als Hausbesitzerin fühlen. Im Treppenhaus ist es eisig, das schafft die Heizung nun doch nicht, schnell die Tür wieder schließen, wollten wir nicht damals, vor Jahren also schon, einen dicken Vorhang anschaffen?

Früher, als die Schwestern noch hier gewohnt haben, saßen wir am ersten Feiertag bis in den späten Nachmittag hinein in unseren Schlafanzügen im Mediraum am Feuer, es gab kleine Geschenke für jede, dazu einen echten Baum mit echten Kerzen, wir haben gesungen, getanzt, und irgendwann kam unweigerlich der Zeitpunkt, an dem K. ihr Gedicht von den heiligen drei Königen von Rilke aufsagte. Schwung und Schwing und Kling und Klang kamen vor, so viel weiß ich noch, sie hatte rote Wangen vor Aufregung, und wir waren jedes Jahr aufs Neue beeindruckt. Schöne Erinnerungen. Überhaupt erinnere ich mich zur Zeit an so vieles, vielleicht liegt es an der Jahreszeit, oder das passiert automatisch, wenn der Körper ein wenig zur Ruhe kommt.

Jetzt sitze ich also alleine hier. Auch nicht wie sonst auf der Erde, sondern bequem im Sessel, den ich zu diesem Zweck extra aus meinem Zimmer geholt habe. Wenn ich allein bin, kann ich mir diesen Luxus schon mal leisten. Ich beobachte Meisen, Amseln und Rotkehlchen, die sich im Vogelhaus treffen, schaue sinnierend ins Feuer, werfe gelegentlich einen Blick auf die eleganten schwarzen Fingerlinge, die mir die Mannheimer Freundin geschickt hat, lese ein paar Seiten in dem Buch von der Freundin aus Giessen, freu mich auf den Sommer, wenn ich mit dem Fernglas, das mir der Redner geschenkt hat, Kraniche beobachten werde. So gute Freunde.

Und dann muss ich mich schon wieder beeilen. Dabei wurde das Abendessen um eine halbe Stunde verschoben, die Schwestern hatten sich ein wenig mit der Zeit verschätzt. Egal, der Nussbraten ist köstlich, ich staune mal wieder über die Soße, die nur K. so hin bekommt, das Gemüse noch knackig, wir plaudern, lachen, stoßen auf das vergangene und das kommende Jahr an, auf unsere Freundschaft, und weil wir alle drei so faul sind, landen wir pünktlich zum Tatort auf der Couch.

Hinterher ärgern wir uns, aber das weiß man eben immer erst hinterher. Noch ein paar Gedanken austauschen, ich bin schon wieder so müde, auch die beiden gähnen, allerdings möchte mich N. nach Hause begleiten, sie braucht frische Luft, sagt sie. Gott sei Dank ein kurzer Weg, unabhängig von Bahnen und Bussen, die mir heute gestohlen bleiben können. Und dann ist Weihnachten schon wieder vorbei. Wie so vieles andere auch vorbei ist. Da kann ich jetzt in aller Ruhe und ganz allein für mich noch ein wenig drüber weinen.

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