Nein, ich kümmere mich nicht nur um den Hund. Ich mache eine Menge anderer Dinge. Schreibe. Finde einen Job, auf den ich Lust habe. Einmal in einem Kino arbeiten, daran denke ich doch schon eine Weile. Fülle (mal wieder) auf den letzten Drücker den Antrag für das Senatsstipendium aus. Meine persönliche Hölle. Anträge. Aber ich bin überrascht, wie leicht sie es uns im Vergleich zum letzten Jahr doch machen. Man kann alles elektronisch versenden. Textprobe, künstlerischer Lebenslauf, Exposé. Die Antragsteller werden per Mail über den Eingang ihrer Unterlagen informiert.

Diskutiere mit Freunden bei Kaffee und Kuchen, auch Wein gibt es zu später Stunde, über Literatur. Was hat mich beim Lesen in den letzten Wochen berührt, was hat mich geärgert und warum. Außer mir haben jetzt alle etwas von Hanns-Josef Ortheil gelesen, die Meinungen sind kontrovers, schreibt er zu schön über die Liebe, ist es Kunst oder Kitsch, die alte Diskussion, zu der ich nur wenig beitragen kann, da ich ja nicht gelesen habe.

Ich habe Eugen Ruge empfohlen, über ihn muss man eigentlich nicht mehr viel berichten, in den Medien wurde er meist gepriesen, und ich kann und mag diesem Lob nichts entgegen setzen. In Zeiten des abnehmenden Lichts. Toller Titel, beeindruckender Familienroman, der nicht nur DDR-Geschichte vermittelt, wie ihm mal jemand vorgeworfen hat. Ich habe beim Lesen irgendwann vergessen, dass die Großeltern überzeugte Kommunisten waren, denn immer geht es um Menschen, die mal großartig, mal kleingeistig und engstirnig sind. Mir hat sehr gefallen, wie Eugen Ruge die Geschichte dreier Generationen miteinander verbunden hat. Sozusagen ein Muss für Familiengeschichtenjunkies wie ich eine bin.

Und dann, als wir schon beim Essen angekommen waren, habe ich es getan. Ich habe mich als Fan von Tino Hanekamp geoutet. So was von da.
Ähm. Interessant. Was findest du denn so spannend an an einem Roman über eine Clubnacht? (Wer geht in unserem Alter denn noch in Clubs?) Und die Sprache? Spricht dein Sohn so? (Diese Kraftausdrücke. Brutalkopfschmerz. Wer sagt denn so was?)

Vielleicht ist es genau das, was mich so fasziniert hat an diesem Buch. Da werden nicht die Probleme von Menschen ausgebreitet, die eigentlich keine Probleme haben, es ist meiner Meinung auch keine Hymne an die Jugend, es ist ein wunderbar kluges Buch über die Frage aller Fragen: Was soll das hier alles? Und: Wie werde ich ein guter Mensch?

Oskar Wrobel hat einen Club, der Club ist pleite, nur noch diese eine Nacht, Silvester, und dann wird das Haus abgerissen und Oskar wird mit einer Menge Schulden da stehen. Außerdem liebt er immer noch Matilda, die ihn vor zwei Jahren verlassen hat, sein Freund Rocky kann mit dem Erfolg als Rockstar nicht umgehen, Rockys Vater, der dem toten Elvis verdammt ähnlich sieht, wird von der Mutter, einer bekannten Hamburger Politikerin, mit Medikamenten ruhig gestellt, Nina, eine exzessive Malerin, hat plötzlich alle Bilder schwarz übermalt, und Kiezkalle, der Oskar mal Geld geliehen hat, das er auch zurück bekommen hat, der will jetzt plötzlich 20000 Euro von ihm, sonst wird er ihm alle Finger brechen. Und so gehen wir mit Oskar in diese Silvesternacht, lernen all diese Menschen kennen, fiebern mit Oskar, vergessen, dass wir keine dreißig mehr sind (ich habe es vergessen) und nach zehn Seiten fühlte ich schon diesen Abschiedsschmerz, von dem ich wusste, dass er mich am Ende des Buches überkommen würde.

Seit dem ich das Buch gelesen habe, denke ich oft, wenn ich von kleinen oder größeren Katastrophen höre, meine eigenen inklusive, Krieg ist schlimmer. Danke Tino.

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