Nach der Arbeit bin ich mit K. verabredet. Mit dem Fahrstuhl von der dritten Etage nach unten ins Foyer, der Kollege druckt die Tickets für „Quartett“ aus, wünscht uns viel Spaß. Es ist doch wirklich nett, dass man uns die Möglichkeit bietet, auch einen Freund ins Kino einzuladen.
Die erste Regiearbeit von Dustin Hoffmann. In der ZEIT habe ich gelesen, wie lange es gedauert hat, bis er sich diesen Traum endlich erfüllt hat. Weil er sich nicht sicher war, ob er tatsächlich das Talent dafür hat. Ein angenehmer Zug eigentlich. Selbst solch ein berühmter Mann wird noch von Selbstzweifeln geplagt.

Wir sehen einen heiteren Film über eine Gruppe kauziger, aber dennoch sympathischer, ehemals bekannter Musiker – einige richtig berühmt, auch entsprechend divenhaft, „vier der besten Sänger der englischen Operngeschichte“ u. a. – die ihre letzten Jahre in einem noblen Altersheim verbringen. Hier passt sogar das Wort Seniorenresidenz. Eine, bei der wohl die von Guiseppe Verdi gestiftete Casa Verdi Vorbild war.

Es ist schön zu sehen, dass wir im Alter nicht unbedingt weiser werden, dafür aber immer noch jede Menge Spaß haben können, wenn wir uns das gestatten jedenfalls. Und mit 80 oder 90 ist noch lange nicht alles vorbei. Die Liebe sowieso nicht, aber das wissen wir ja. Wir verlassen den Saal gut unterhalten, immer noch lächelnd, und natürlich nehmen wir noch ein Getränk im Event-Café. Alles so wie immer. Die Freundin sieht ein wenig müde aus. Wer sie allerdings an der Bar stehen sieht, der kurze Rock, der Pulli, ganz klar eine von den feschen jungen Alten, wie man uns ja neuerdings nennt. Wir zwischen 55 und 65.

Wir plaudern. Erzählen uns dies und das, wann endlich ihre Übersetzung fertig ist, mein Besuch bei der Familie, die Bücherrunde, allerdings bin ich nicht so richtig entspannt. Sie ist es auch nicht. Bestimmt liegt es an dem Text, den ich ihr vor einer Woche gemailt habe und den sie unbedingt lesen wollte. Das Probekapitel, mit dem ich mich gerade bei verschiedenen Agenturen vorstelle.

Warum rutscht sie eigentlich so komisch auf ihrem Sitz herum? Und wirkt sie nicht ein wenig unglücklich? So, als läge ihr etwas schwer auf dem Herzen, und nun weiß sie nicht, wie sie mir das beibringen soll? Ich würde so aussehen, wenn ich eine schlechte Nachricht überbringen müsste. Mir ist schlecht. Natürlich könnte ich nachfragen. Wenn ich nicht plötzlich Angst vor der Antwort hätte.

Ich habe ihr (von den Agenturen ganz zu schweigen) Mist geschickt. Habe mich geirrt, der Text ist schlecht. Wie konnte ich überhaupt auf die Idee kommen, das könnte einen anderen Menschen interessieren? Manchmal bin ich größenwahnsinnig. Nicht in der Lage, mich selber objektiv einzuschätzen. Kein Wunder, dass sie so unglücklich aussieht. Wer sagt so etwas schon gern einem anderen? Noch dazu einer Freundin? Mir wird noch ein wenig übler.

Und dann ist es natürlich ganz anders. Endlich mal ein Text, in dem ich zu erkennen bin, sagt sie. Kein Wunder, es geht um mich. Ich bin so froh und verspreche auf der Stelle, in den nächsten Tagen den Rest zu schicken. Warum bin ich eigentlich immer hinterher klüger? Diese anderthalb Stunden eingebildeter Peinlichkeit hätte ich mir doch ersparen können, wenn ich gleich gefragt hätte.

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