Ein gelungener Arbeitstag, und das, obwohl ich die Frühschicht nicht besonders mag. Weil ich ein gestörtes Verhältnis (hatte ich jemals ein funkionierendes?) zu Käsemaschinen, Monitoren, Kompressoren, Pepsi-Towern habe, die es als erstes zu aktivieren gilt, damit der Kollege von der Concession bei Schichtbeginn alles startbereit hat. Owohl ich über einen Zettel verfüge, auf dem ich mir die einzelnen Arbeitsschritte notiert habe, finde ich die passenden Hebel nicht. Woran erkenne ich verdammt noch mal einen Kompressor? Man hat ihn mir gezeigt, da bin ich mir sicher, aber hier steht so viel herum, so viele Schläuche und Hebel. Hallo! Ist einer von euch…?

Aber dann ist auch das erledigt und ich kann mich wieder auf bekanntes Terrain begeben. Zahlen, Kassen, Gutscheine, Barbelege. Die nächste frohe Botschaft besteht darin, dass ich außerdem für den Einlass zuständig bin. Einlass? Das habe ich noch nie gemacht. Aber bitte, ich werde wohl ein paar Karten abreißen und den Gästen eine 3-D-Brille aushändigen können. Und eigentlich ist das auch etwas, das ich mag. Fremden Menschen das Gefühl geben, dass sie hier bei uns (hier bei mir, egal) willkommen sind. Ein wenig Small Talk, der mir locker über die Lippen kommt, wo ich mich doch in größeren Runden bei dieser Art der Gesprächsführung langweile. Dass es überhaupt zu kurzen Wortwechseln kommt, das liegt natürlich daran, dass die Anzahl der Besucher in der Mittagszeit überschaubar ist.

Nach der Arbeit ins Kant-Kino, manchmal muss man eben fremd sehen. Take This Waltz. Ein etwas ungewöhnlicher Liebesfilm mit erstaunlichen Dialogen. Ein Paar – Margot und Lou – seit fünf Jahren verheiratet, sie gehen liebevoll und vertraut miteinander um – und hätte Margot nicht zufällig einen Mann kennengelernt, der dummerweise im Haus gegenüber wohnt, könnte es mit dieser Ehe wohl immer so weitergehen. Doch dann trifft Margot diesen Nachbarn immer wieder, auch diese Gespräche sind ungewöhnlich, und ganz langsam wächst eine Sehnsucht in ihr. Das ist sehr schön, und Gott sei Dank überhaupt nicht amerikanisch kitschig, was an der Regisseurin Sarah Polley liegt, die auch eine Liebeserklärung an Toronto gemacht hat mit diesem Film. Ich kenne die Regisseurin als Darstellerin (Mein Leben ohne mich) und von ihrer ersten Regiearbeit (An ihrer Seite). Irgenwo hatte mal jemand über sie geschrieben, sie wäre eine junge Frau mit einer alten Seele. Vielleicht waren deswegen gestern auch so viele ältere Leute in dem Film, obwohl er doch die Geschichte von Endzwanzigern erzählt.

Meine Lieblingsszene findet in einem Restaurant statt. Das Paar feiert seinen 5jährigen Hochzeitstag. Beide löffeln schweigend eine Art Salat. Sie: „Und wie geht es jetzt weiter?“ Er, verdutzt: „Was? Wie meinst du das?“ Sie überlegt einen Moment: „Du könntest mich fragen, wie es mir geht.“ Er, noch verdutzter: „Aber ich weiß doch, wie es dir geht.“  Sie: „Aber dann wäre es so etwas wie ein Gespräch.“

Natürlich musste ich an den Taxifahrer denken, und natürlich wurde mein Herz schwer. Die Schwägerin sagt am Ende etwas in der Art, dass man nicht gleich weglaufen muss, wenn man mal ein Loch spürt. Und auch der Film zeigt, dass es irgendwann mit diesem anderen Mann ähnlich ist wie mit dem Ehemann. Nach wunderbaren sexuellen Erlebnissen sitzen auch diese beiden auf dem Sofa und sehen fern. Aber das ist es, das Leben. Man spürt eine Sehnsucht und glaubt, dass man ihr folgen muss, wenn man nicht verrückt werden will. Oder wenn man ehrlich sich und seinem Partner gegenüber sein will.

Und dann gibt es offensichtlich auch jene anderen Menschen, die diese Sehnsucht nie spüren, die sie spüren, ihr aber nicht nachgeben, die so viel Angst vor Neuem haben, dass sie sich nicht mal eingestehen, dass sie sich nach etwas sehnen. Mir ist dieses Taubstellen leider nicht vergönnt. Aber was sage ich leider. Gott sei Dank vielleicht.

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