Auf Victor Man hatte mich ein Artikel in der ART aufmerksam gemacht. Ein Künstler, dessen Gemälde eigenartige Schauer beim Betrachter auslösen können. Noch dazu einer, der wortkarg ist, der seinen Werken nur selten Namen gibt, und der ebenso selten für Interviews zur Verfügung steht. Gibt er dann doch eins, hat man am Ende trotzdem nicht viel über ihn erfahren. Das ist eigentlich auch eine Kunst.

Herr W. musste nicht lange überredet werden, obwohl er eine andere Ausstellung vorgeschlagen hatte. Wir treffen uns vor der Kulturhalle. Drinnen geht jeder seiner Wege, aber da es nicht sehr groß ist, begegnen wir uns gelegentlich.

Ich finde sehr schnell das Bild, das mich schon in der Zeitschrift fasziniert hatte. Eine Frau auf einem Kaffeehausstuhl, die Beine ordentlich, ein wenig schräg, nebeneinander gestellt. Obwohl ich aus der Zeitung den Namen „Der Kerzenmacher“ erinnere, sieht es doch eher wie eine weitere Variation des Themas Judith und Holofernes aus. Nur dass der Kopf auf dem Schoß der Frau ein Frauenkopf ist. Es ist nicht ganz klar, ob es sich dabei um ihren eigenen oder um den Kopf einer anderen Frau handelt. Ein Kopf mit zwei langen Ohren. Wenn es denn Ohren sind. Eselsohren? Wie sehr doch die Bluse leuchtet. Und das goldene Halstuch.

Gleich daneben noch eine Frau mit einem Kopf auf dem Schoß, später lese ich als Erläuterung für Werk Nummer 23 „Ohne Titel, (S.D. as Judith and Holofernes). Der Kopf auf dem Schoß erinnert mich an Thomas Mann. Aber das scheint nur mir so zu gehen, denn eine freundliche Mitarbeiterin des Hauses, die bereitwillig Erklärungen abgibt –  das T-Shirt, das sie trägt fordert dazu auf, Fragen zu stellen – diese junge Frau spricht später von Maske. Meinetwegen auch Maske. Aber Mann und Man, das hätte auch eine gewisse Logik.
Nach einer Weile des Hinsehens bilden die weißen Striche im Hintergrund des Bildes eine  Art Fabelwesen. Ein tanzender Derwisch vielleicht? Ich bilde mir ein, einen Kopf, Augen, eine Zunge zu erkennen. Zehen mit Krallen. Der Daimon, der sich über die lustig macht, die seinen Einflüsterungen erlegen ist. Da hast du deinen Kopf du dumme Pute. Und? Bist du jetzt glücklich?

Ich wäre schon glücklich, wenn es in diesen Etablissements kleine Hocker gäbe. Aber nein, ich muss wieder auf die Erde. Später bietet ein freundlicher Aufseher seine Hand. Die ich dummerweise ausschlage. Aber dann bin ich doch sehr glücklich, als ich eine Stunde später endlich etwas zu essen bekomme. Bei mir müssen keine Köpfe rollen, regelmäßiges Füttern genügt.

Einen Kommentar schreiben

Ihre Daten werden niemals an Andere weiter gegeben.
Die Email-Adresse wird nicht angezeigt. Notwendige Felder sind so markiert: *

*
*