Die Freundin aus Halle ist gestern mit der mittleren  Tochter angereist. Die ist in letzter Zeit vielleicht ein wenig zu kurz gekommen, obwohl ich das nicht beobachten konnte, aber eines stimmt, sie nimmt oft Rücksicht auf die kleine Schwester. Und deswegen gibt es nun zwei Tage allein mit der Mama in Berlin. Bei Oma II.  Oder der quasi Verlobten, denn ich soll ja immer noch geheiratet werden.

Erste Station nach einem ausgiebigem Frühstück ist der Botanische Garten, und wenn wir es danach noch schaffen, spräche auch nichts gegen einen Kinobesuch. Allerdings ist das Kind sehr sensibel, es könnte schwierig werden, den passenden Film zu finden. Gestern Abend hatte meine Freundin ihr im Internet „Findet Nemo“ herausgesucht, den fand sie zu gruselig. Nemo!

Etwas lustlos laufe ich hinter den beiden her. Die Samtbanane ist mir Schnuppe. Ich fühle mich eigenartig. Schlapp. Als wäre sämtliche Energie gerade dabei, sich von mir zu verabschieden. Die Wärme vielleicht. Eigentlich interessieren mich Pflanzen auch gar nicht so, ich könnte keine einzige später beschreiben, bei mir wäre das nur grün oder bunt. Anders ist es mit den Gewächshäusern. Diese luftigen Konstruktionen faszinieren mich, und wie gut sie in diesen Garten passen, oft stelle ich mir auch vor, wie es wäre, in einem solchen Haus zu wohnen. Nicht im Sommer natürlich.

Am liebsten stehe ich allerdings drinnen in einem der Gewächshäuser, ganz allein an einem Fenster, das muss man erst mal hin bekommen, und von dort betrachte ich den Himmel. Der gelegentlich die Farben wechselt, auch die Wolken sehen nicht immer gleich aus, manchmal gibt es keine, aber irgendetwas ist da immer zu sehen. Man könnte also sagen, dass ich den Botanischen Garten mag, weil ich da so schön von drinnen nach draußen schauen kann. Wo vor ein paar Minuten noch so viel Blau war. Jetzt haben sich schwarze und graue Wolkenformationen breit gemacht. Das sieht tatsächlich nach dem angekündigten Schnee aus.

Während Mutter und Kind weiter nach der Musa velotina suchen, ruhe ich mich vor dem immer noch nicht fertigen Victoria-Haus aus. Auch hier gibt es wunderbare Ausblicke. Allerdings kann ich mich gerade nicht mehr bewegen. Am liebsten würde ich mich auf eine Bank legen und schlafen. Und dann schneit es tatsächlich, dazu dieses bizarre Licht, vielleicht liegt es auch an der eigenartigen Winterstimmung, die ein wenig geheimnisvoll, melancholisch ist, ich habe keine Ahnung, aber ich muss ein paar Tränen weinen.

Statt Kino gibt es später köstliches Eis, Kaffee und Kuchen in einer kleinen aber feinen Eismanufaktur, und für einen Moment glaube ich, dass wieder alles in Ordnung ist mit mir. „Dir hat das Eis gefehlt, gib es zu.“ Die Freundin lächelt ihr typisch aufmunterndes Lächeln. „Vielleicht.“

Zu Hause muss ich mich dann gleich aufs Sofa legen. Eine Erkältung wahrscheinlich. Tut alles weh da oben im Kopf. Die Freundin kocht, ich esse sogar noch etwas, obwohl ich nach dem Eis dachte, ich würde nie wieder, aber so ist das ja oft mit mir. Und dann muss ich richtig ins Bett. Es tut mir leid, denn eigentlich wollten wir doch Wein trinken und reden. Doch mir wird versichert, dass das überhaupt nicht schlimm ist, weil die alleinerziehende Mutter dann endlich mal richtig ausschlafen könne. So kann man es natürlich auch betrachten.

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