Während ich noch mit meinem Kaffee im Bett sitze, mache ich mir darüber Gedanken, ob ich am Geburtstag meiner Mutter nun eine Rede halte oder nicht. Immerhin ist es der 70ste. Wenigstens einmal im Leben sollte man eine Rede  bekommen. Und das nicht erst am Grab. Andererseits, warum gerade ich? Die schwierige Tochter? Außerdem assoziiere ich einiges mit dieser 70, und das hat wenig mit meiner Mutter zu tun. Bei ihr vergesse ich manchmal, dass sie älter ist als ich.

Als wir sie das letzte Mal besucht haben, erzählte sie uns, wie sie auf diesem Kutter, mit dem sie in Dänemark zum Angeln fahren, aufs Klo geht. Sie stand auf, um uns zu demonstrieren, wie sie sich in dem winzigen Kabuff unter Deck mühevoll aus ihrem Angelzeug schält, wie sie hockt, sich wieder anzieht und mit einem Eimer in der Hand an Deck kommt. Ihre eindrucksvolle Vorstellung trieb mir vor lauter Lachen Tränen in die Augen.

Sie ist nicht nur komisch manchmal, sie hat auch nie Zeit. Ein typisches Mutter-Tochter-Gespräch fängt oft so an:  „Wir sehen uns so selten. In anderen Familien ist das anders.“ Dabei hat sie einen leicht leidenden Ton in der Stimme. Und ich weiß, dass sie gerade felsenfest davon überzeugt ist, dass ich die Schuldige an diesem Dilemma bin. Aber ich tappe nicht in ihre ausgelegte Falle. „Mama, kannst du dich erinnern, dass du letzten Monat keine Zeit hattest? An keinem Wochenende? Weil du Besuch von diesem und jenem bekommen hast, weil ihr ein Wochenende verreist wart, und dann war da der Anglerball, du musstest zu Familie X zum Brunch usw. usw.“
Ich merke, dass sie sich ärgert, weil ich so ein gutes Gedächtnis habe. Es wurmt sie. „Hm. Du hast ja recht. Aber jetzt müssen wir uns wirklich treffen.“ „Ok. Wie sieht es denn am kommenden Wochenende aus?“ Sie stottert. Es ist ihr peinlich. „Oh. Da fahren wir mit den ehemaligen Kollegen in den Bayrischen Wald, das habe ich dir doch erzählt.“

Wäre schön, wenn ich diese Gene hätte. Nicht die anderen bitte, aber die schon!

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