In der Küche köchelt die Bolognese vor sich hin, beim Kosten habe ich mir die Zunge verbrannt. Ein Traum von Soße wird das. Es ist alles drin, was dazu gehört. Rotwein, Möhre, Zwiebel, Sellerie, Schinken. In den zwei Stunden, die sie noch braucht, könnte ich ein wenig schreiben, dachte ich. Eine Woche ohne Laptop, das ist wie Fasten. Ich hasse Fasten. Nun habe ich plötzlich einen Rand um meinen Text. Der war vorher nicht da. Das sind die kleinen Nebenerscheinungen, wenn alles neu gemacht werden muss, weil die Festplatte ihren Geist aufgeben hat.

Wenigstens hatte ich meine Dateien weisungsgemäß gespeichert, alle sind an ihrem ursprünglichen Platz. Sie sehen nur anders aus als vorher. Haben plötzlich einen Rand. Außerdem schreibt dieses blöde System jetzt meine Worte zu Ende. Das möchte ich auf gar keinen Fall. Hilfe! Ich brauche Hilfe. Am besten gleich. Was würde ich nur ohne diesen Mann anfangen. Kapitulieren würde ich. Den Computer aussetzen. Es ist mir egal, wenn das allen feministischen Forderungen widerspricht. Ich kann auch immer noch keine Waschmaschine reparieren. Schädige ich damit jemanden? Im Gegenteil. Ich kurbele die Wirtschaft an, wenn ich einen Handwerker engagiere. Vielleicht bekäme ich ohne größere Verletzung einen Dübel in die Wand. Sicher bin ich mir nicht.

Gestern hatten wir plötzlich das Bedürfnis nach frischer Luft. Ein wenig Bewegung würde uns ebenfalls gut tun nach zehn Tagen Lauf-Abstinenz. Nach kurzer Debatte sind wir raus nach Schildow gefahren, wo wir das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden wollten. Leider ist das Landhaus Elise, das wir vor ein paar Jahren entdeckt haben und das längst einen neuen Besitzer hat, bis 26.01. wegen Urlaub geschlossen. Wir mussten den Mauerweg ohne Hoffnung auf anschließende Belohnung in Form von köstlichstem selbst gebackenem Kuchen absolvieren. Der weite Blick über Wiesen und Felder entschädigte uns allerdings.

Was die Natur auf diesem ehemals kargen Streifen Land alles hat wachsen lassen, ist erstaunlich. Kiefern, Birken, Sträucher. Man möchte gar nicht glauben, dass noch vor 20 Jahren die Grenzer auf jeden geschossen hätten, der sich unerlaubt dem antifaschistischen Schutzwall nähert. Noch weniger möchte man glauben, dass es heute junge Menschen gibt, die davon nicht wissen. Als die Sonne mir frech ins Auge schien, fing ich vor Freude an zu singen. „Du wirst langsam eine Expertin für Zwölftonmusik.“ Nette Kommentare, die ich mir manchmal anhören muss.

Im Auto wusste ich später nicht, wie ich sitzen sollte, weil die Hüfte so weh tat. Da es heute morgen längst wieder vergessen war, sind wir gleich nach Kladow gefahren. Bei solch einem Wetter kann ich nicht drinnen bleiben. Alles glänzt, lacht, atmet auf. Eine kleine Hoffnung auf Frühling. Ich muss raus, muss meine Nase in die Luft halten, muss den köstlichen Duft nach frisch gewaschener Wäsche und Erde aufsaugen, muss mich bewegen. Immer wenn ich dann irgendwo draußen bin, träume ich davon, die Stadt zu verlassen und aufs Land zu ziehen.

Vielleicht hätten wir doch in Nikolassee bleiben sollen. Glücklich war ich dort eine Weile. Nach langer Zeit das erste Zuhause, an dem ich mich absolut richtig gefühlt habe. Richtig fühle ich mich hier auch. Hier ist der Mann, hier sind meine Bücher, der Laptop, mein Bett, der Weg an der Spree entlang ist auch sehr schön. Und keine chaotische WG, in der ich um den Küchendienst streite und auf allen Vieren in den Beeten herum robbe. So ein Balkon ist viel leichter zu pflegen. Alles bestens also. Nur wenn die Sonne scheint, und das tut sie leider viel zu selten direkt in mein Zimmer, dann kriege ich einen Rappel und muss raus.

Vielleicht gibt es ja eine Lösung für mein Problem. Vielleicht können wir in der Stadt und auf dem Land leben. Eines Tages. Eines hoffentlich nicht allzu fernen Tages. Denn eigentlich soll man doch nichts aufschieben. Wer weiß denn, ob man noch die Zeit hat, das zu tun, was man tun möchte. Selbst wenn ich bisher geglaubt hätte, dass es irgendwelche Sicherheiten im Leben gibt, spätestens der Tod von meinem Chef hätte mir das Gegenteil bewiesen. Plötzlich fällt man um und dann war es das leider. Vorbei. Ein dummes Wort. Man ist so verdammt lange tot. Viel länger als man gelebt hat. Am Grab sagen sie dann, sein Leben hat immer nur aus Arbeit bestanden. Das wird von mir keiner behaupten, aber ich möchte auch nicht, dass jemand sagt, sie hat immer von einem kleinen Häuschen auf dem Land geträumt. Und jetzt schau ich mal, ob sich wenigstens der Traum von einer köstlichen Bolognese-Soße erfüllt hat.

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