Gestern Abend waren die Straßen rund um den Hauptbahnhof und das Brandenburger Tor verstopft, nie zuvor gesehene Autoschlangen kämpften sich auch am S-Bahnhof Bellvue vorbei, wo es doch sonst so beschaulich, manchmal geradezu dörflich, zugeht.  Zehntausende, in der Zeitung las ich von Hunderttausenden, hatten sich trotz Regen am Brandenburger Tor versammelt, um den Festakt rund um den symbolischen Fall der Mauer nicht zu verpassen. Ich dagegen saß in Nikolassee bei den Freundinnen warm und trocken vor dem Fernsehgerät, das Sofa groß genug für uns drei, es gab Wein und Chips, und wenn es ernst wurde, war immer eine da, die meine Hand hielt.

Die erste Träne zeigte sich bei der Rede unseres Bürgermeisters, der an jene Frauen und Männer erinnerte, Bürgerrechtler und Oppositionelle, die diese in der Geschichte der Deutschen einmalige friedliche Revolution voran gebracht hatten, an deren Ende der Mauerfall stand, und die in dem vereinten Deutschland gern vergessen werden. Tränen dann auch, als sie, zum wie vielten Male eigentlich, die berühmte Balkonszene vor der Prager Botschaft zeigten.

Schon am Sonntag hatte ich ein paar Tränen vergossen, als ich in der Zeitung noch einmal kleine Geschichten rund um die Maueröffnung gelesen hatte, wie jene von den Brüdern, einer war in den Westen ausgereist, und in jener berühmten Nacht trifft er dann seinen Bruder aus dem Osten oben auf der Mauer am Brandenburger Tor. Eine Art Pawlowscher Reflex, vielleicht auch eine Erbkrankheit, war doch schon meine Großmutter nahe am Wasser gebaut.

Jetzt kann sich die 20 Jahre alte friedliche Revolution beruhigt schlafen legen, erst im nächsten Jahr wird man sie wieder wecken, wenn  Berlin mit frischem Elan und wieder ganz Weltstadt den 20sten Jahrestag der Wiedervereinigung feiert. Dann wird man aufs Neue Reden und Sektgläser schwingen, und hoffentlich darf dann Herr Westernhagen selber seinen Song von der Freiheit singen. Nichts gegen die Boygroup Adoro, aber in diesem Fall hätte ich schon das Original erwartet. Warum nicht sowieso Bands wie City oder Silly? „Am Fenster“ hätte den Tausenden von Touristen eine echte Gänsehaut beschert, da bin ich mir sicher. Die Antwort ist auch immer dieselbe: Weil mich keiner gefragt hat!

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