Nun bin ich schon den fünften Tag wieder zu Hause. Die Zeit vergeht wie im Fluge, ich habe eigentlich keine. Am Freitag waren wir abends noch in der Therme in Ludwigsfelde, ich brauchte dringend eine Portion Gymnastik in warmen Wasser, das vermisse ich jetzt am meisten. Zwei Runden Sauna hinterher, ein wenig schwimmen und relaxen, schon war der Tag vorbei. Laufen und Trockenturnen allein können mich nicht glücklich machen, ich brauche das Element Wasser, diese Übungen fand ich im Krankenhaus ganz besonders hilfreich.

Und mein geliebtes Laufband, das hätten sie mir auch mitgeben können. Ich sehe schon, wie der Mieter unter uns angeekelt die Augen verdreht. Noch mehr Lärm von denen da oben. Weil nun aber kein Laufband da ist, bin ich gestern morgen brav vom Bett aus in die Turnschuhe gestiegen, habe auf den Kaffee verzichtet und stattdessen die ersten 4 km absolviert. Dann noch schnell 15 Minuten gymnastische Übungen auf dem Boden, bevor die Familie da war, um ein gemeinsames Frühstück einzunehmen.

Ja, es geht mir besser, psychisch auf alle Fälle. Ja, es tut immer noch weh, aber Bewegung tut mir gut. Ja, bei Bedarf nehme ich Medizin und ebenfalls ja, ich gehe noch einmal ins Krankenhaus. Nein, ich weiß nicht, wie es mit der Arbeit weiter geht. Darüber habe ich auch mit dem Chef gesprochen. Es ist ja nicht nur so, dass ich im Moment nicht länger als ein oder zwei Stunden auf einem Fleck sitzen kann und man mir jede Menge Bewegung verordnet hat. Ich gehe schon seit einiger Zeit mit Magenschmerzen ins Büro, weil mir der Sinn meines Tuns verloren gegangen ist. Ein Punkt, der im Krankenhaus auch zur Sprache gekommen ist und mit dem ich beileibe nicht alleine bin. Den enormen Druck, unter dem wir alle arbeiten und den wir an Lieferanten oder Mitarbeiter weiter geben müssen, empfinde nicht nur ich als unsinnig und krank. Aber wie sagte der kluge Oberarzt? Die Gesellschaft können Sie nicht ändern. Bleiben Sie mal schön bei sich. Eine Lösung ist mir noch nicht eingefallen.

Statt mir Gedanken darüber zu machen, schreibe ich lange Briefe an U., in denen ich ihr von dem ganzen Durcheinander in meinem Kopf berichte, von den Wünschen, Träumen. Gott sei Dank muss ich nicht befürchten, dass sie mir in einem Monat Vorwürfe macht, wenn ich noch nichts verändert habe. Meine Existenzängste sind ihr nicht fremd. Das ist eine Seite unserer Freundschaft, die ich neben vielen anderen mag. Wir können bei der anderen mal so richtig jammern und klagen, es wimmelt nicht gleich von Ratschlägen, was die andere nun tun oder lassen soll. Wir kennen uns jetzt schon so lange, dass wir wissen, es wird eine Lösung geben. Jede hat für anstehende Veränderungen ihren eigenen Rhythmus, ihre eigene Zeit.

Da fällt mir gleich noch etwas ein. Ich war mal wieder richtig froh, Freunde zu haben. Der Wert einer Freundschaft zeigt sich ja oft in Krisenzeiten. Sonst sind sie halt da, man sieht sich, unternimmt etwas Schönes zusammen, redet, schreibt. Ich will nicht sagen, dass ich dies als selbstverständlich betrachte, aber als normal eben. In wiederkehrenden Zeiten depressiver Verstimmtheit empfinde ich Freunde manchmal sogar als nervend, ich gebe es zu. Ungern nur, aber so ist es. Mein System ist dann auf Rückzug programmiert. Und trotzdem laufen die nicht weg, sondern sind da, wenn es mir nicht gut geht. Schicken aufmunternde Grüße per Mail oder SMS, einen Brief mit gemaltem Bären, den mir mittags ein Pfleger an den Tisch bringt und der bei den Mitpatienten Neid auslöst. Was denn? Du bekommst Briefe?Da kann man als Mensch so übel doch nicht sein.

Einen Kommentar schreiben

Ihre Daten werden niemals an Andere weiter gegeben.
Die Email-Adresse wird nicht angezeigt. Notwendige Felder sind so markiert: *

*
*