Heute Morgen hatte ich noch befürchtet, der Winter würde endgültig zurück kehren. Schneeflocken trieben an meinem Fenster vorbei. Ein wenig lustlos machte ich meine Übungen, verschob das Laufen auf den Nachmittag. Dafür bewegte ich mich in der Küche bei der Zubereitung des Krabben-Salates etwas mehr als nötig gewesen wäre. In der Speisekammer war der Ketchup nicht, im Kühlschrank auch nicht. Vielleicht doch in der Speisekammer……So ging es einige Male hin und her, bis ich die Flasche endlich im Vorratsschrank fand. Ich selber hatte sie dort hinein gestellt, langsam kam die Erinnerung zurück.

Das sollte ich mir als Beispiel merken, wenn meine Mutter mir das nächste Mal mit leidender Stimme erzählt, wie vergesslich sie ist. „Stell dir das einmal vor. Ich gehe in den Keller, und dann weiß ich nicht mehr, was ich da wollte.“ Zum Schluss kommt immer derselbe Satz, mit dem sie an mein Mitleid appelliert: „Das ist doch nicht normal.“ Und wer bemitleidet mich?

Ein paar Stunden später standen wir in Nikolassee in der Sonne im Garten und tranken Prosecco, bevor es literarisch wurde. Bei den Mädels gibt es am Ostersonntag ein Ritual. Es werden diverse Köstlichkeiten zum Brunch aufgefahren, man bringt selber eine Kleinigkeit mit, und wenn sich alle gestärkt haben, liest jeder etwas vor. Das ist absolut freiwillig. Man wird nicht wieder ausgeladen oder von der Tafel verdammt, wenn man sich verweigert. Heute sollten die Gedichte oder Prosa-Texte passend zum Anlass etwas mit Frühling oder Ostern zu tun haben. Da muss man Gott sei Dank nicht selber dichten, Ringelnatz, Tucholsky, Kaléko, sie haben sich schon vor vielen Jahren über das Thema Gedanken gemacht. Fröhliche Gedanken, aber am fröhlichsten ging es bei Peter Huchel zu. Der hatte über einen Hasen gedichtet, dessen Blume hinten wippte, dessen Ohr schief hing und lang war, und dann kam noch eine Ackerkrume vor, aus der ein Krokus schoss, wo das Häslein sprang. So oder ähnlich, ich habe lange nicht mehr so gelacht.
Vorher hatte Marlene Dietrich von einem richtigen Mann gesungen, der jetzt endlich her müsste, weil sie die Jungs satt hatte. Das hatten die Nachbarn von gegenüber zum Thema Frühling beigesteuert. Man hätte einen Schieber dazu tanzen können (falls dieses Wort auch schon ausgestorben sein sollte: das ist kein richtiger Tanz, es ist die Variante für den Mann, der nicht weiß, was er tun soll, in diesem Fall schiebt er die Frau Hüften schwingend durch die Gegend). Den ollen Goethe haben wir weg gelassen, aber die letzten Zeilen passten natürlich: Zufrieden jauchzet groß und klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!

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