Da ich noch nicht ganz wach bin, hole ich mir vor dem ersten Film im „we coffee“ shop im Untergeschoss vom Sony-Center noch schnell einen Kaffee. Den jungen Mann hinter dem Tresen habe ich schon ein oder zweimal gesehen. Er lächelt breit zur Begrüßung. „Einen großen Cappuccino mit Soja-Milch?“ Ich bin gerührt. Wie er sich das nur merken kann. Für ihn gehört ein gutes Gedächtnis mit zum Geschäft. Er kennt die Vorlieben von ungefähr 200 Leuten, er weiß, was sie trinken und auch, was sie sonst noch mögen. Mein, wie ich dachte, dezenter Blick in die Glasvitrine ist ihm natürlich auch nicht entgangen.  „Noch eine Praline?  Orange-Marzipan?“ Er wickelt sie mir in eine Serviette. Jetzt kann es losgehen. 

„Arias with a Twist“ Nach der ersten Minute denke ich, oh jeh, da habe ich mir ja was eingebrockt. Schrille Musik, eine Drag Queen, festgeschnallt auf einer sich drehenden Scheibe, drumherum Männchen aus dem All. Nach 5 Minuten denke ich, okay, ich werde vielleicht doch nicht eher gehen, so schlimm wird es schon nicht werden, nach 20 Minuten bin ich begeistert.

Eine Dokumentation über zwei beeindruckende Künstler: Joeh Arias, Schauspieler, Sänger, Diva, Drag Queen und Basil Twist, Puppenspieler. Über ihre Zusammenarbeit, ihre künstlerische Entwicklung, über das Puppenspiel. New York, Los Angeles, Cirque du Soleil, Plätze, an denen Joeh Arias gearbeitet hat. Menschen, die er berührt hat, geben Auskunft über ihn. Daneben Szenen über die Arbeit Basil Twists, auch vom internationalen Treffen der Puppenspieler in Frankreich. Bilder, die zum Träumen verführen, anrührend und heiter. Interessant auch der Christopher Street Day 2009. Joeh Arias Arm in Arm mit unserem Bürgermeister, der ihn als Botschafter New Yorks in Berlin preist, da ist so ein Blick.

Im anschließenden Gespräch fehlt zwar Basil Twist, aber Joeh Arias macht das mit seiner Wärme und seiner mitreißenden Art irgendwie wett. Leider singt er nicht. Ich verlasse das Kino froh und beschwingt und nehme mir vor, für Juli unbedingt Karten zu besorgen, da soll es ein 3wöchiges Gastspiel von Joeh Arias in Berlin geben.

Auch der französische Film „L‘ abre et la foret“ (Familiy Tree) hat mir gefallen. Eine berührende Geschichte über einen Mann, der während der Besatzungszeit in einem Lager eingesperrt war, der dort schlimmes erleben musste, angeblich aus politischen Gründen, jedenfalls erzählt er das seit 50 Jahren. Nach dem Tod seines ältesten Sohnes, zu dessen Beerdigung er nicht erschienen ist, rückt er mit der Wahrheit heraus: Man hatte ihn wegen homosexuellen Neigungen inhaftiert. Wie nun die restliche Familie damit umgeht, außer seiner Frau und dem toten Sohn hatte keiner davon gewusst, davon erzählt der Film. Nicht herausragend, aber gut. Ich gebe natürlich fleißig meine Tipps ab und bin gespannt, welcher Film den Panorama-Preis bekommt.

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