Heute Morgen saß ich mit dem Hausmann im Kleinen Salon. Gestern haben wir mit dem Besuch im Blauen Salon kaffeetisiert. Und heute Abend vor dem Tatort werden wir vielleicht im Westflügel ein Glas Wein trinken. Salon hört sich interessanter an als Terrasse, Westflügel klingt irgendwie netter als Vorgarten. So kann man sich die Welt schön reden. Während der Hausmann jetzt bestimmt auf dem Kudamm in der Hitze schmort  (wegen ein paar alter Autos), denke ich noch über das Neuerfinden nach, von dem der Freund der Freundin gestern sprach.

Vor 35 Jahren waren die beiden ein Paar, haben damals zusammen mit ein paar anderen diese WG gegründet. Und nun wollte der Freund noch einmal zurückkehren an diesen Ort, der ihm offensichtlich noch etwas zu sagen hat. Wir haben bei Kaffee und Kuchen über die alten Zeiten gesprochen, auch über den Guru, der hier früher Partner und Betten vermittelte, und wieder einmal dachte ich, ich habe doch so einiges verpasst. Oder auch nicht. Habe natürlich bereitwillig mein Zimmer gezeigt, dasselbe eben, in dem der Mann damals gewohnt hat.

Letztes Jahr ist seine Partnerin gestorben, noch immer ist alles anders und manchmal auch konfus, aber gleichzeitig wäre da eben auch die Möglichkeit, sich noch einmal völlig neu zu erfinden. Mit 60. Umgezogen ist er schon, nun muss er in der neuen Stadt neue Menschen kennenlernen, neue Freundschaften schließen. Ich wollte mich letztes Jahr nach dem Schrecken über den Tod des Redners auch neu erfinden. Und dann ist es eine Reise zu mir geworden, keine in die Welt hinaus. Aber wer weiß, was da noch kommt, ich bin ja noch jung. Und ich glaube, dass man sich tatsächlich immer wieder neu erfinden kann. Wer legt denn fest, wer ich bin, wenn nicht ich selbst?

Also, wer will ich heute sein? Nach dem Film über Bella Brown gestern – nett, unkompliziert, auch eine Träne habe ich geweint, einen nachhaltigen Eindruck wird er aber nicht hinterlassen, von diesem wunderbaren Garten des polternden Nachbarn mit großem Herz mal abgesehen – könnte ich heute die Gärtnerin hervorkehren. Einen pinkfarbenen Fingerhut habe ich bei dem Polen an der Ecke schon gekauft. Vielleicht brauche ich noch einen zweiten.

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