Am Freitag trieben noch Eisschollen auf der Spree, gestern war davon nichts mehr zu sehen. Die ganze kalte Pracht geschmolzen. Die Wege matschig, das Laufen anstrengend. Wir haben es trotzdem bis zum Cafe Zimt und Zucker geschafft. Alle Plätze belegt. Noch ein Stück weiter, im Friedrichs 106, gab es dann den ersehnten Kuchen. Neben uns zwei englisch sprechende und französisch aussehende Frauen, tres chic, sehr schlank natürlich auch, kein Wunder, bei den beiden gab es außer Kaffee nix. Aber ihre Augen, als unsere Bestellung kam. Dabei war es gar nicht so viel, die Leute vom Service hätten ruhig kleinere Teller nehmen können.

Abends dann Berlinale, die Preisverleihung. Ausgerechnet der Film, bei dem ich mich gelangweilt habe (natürlich würde ich den kleinen Jungen sofort adoptieren, sollte seinen Eltern etwas passieren, habe ich das schon erwähnt?), der bekommt den Goldenen Bären.  Aber so ist es im Leben. Ständig muss man damit leben, dass andere Menschen andere Meinungen haben. Das war schon früher so. In meiner Jugendzeit zum Beispiel. Bist du für die Beatles, bist du blöd und hast keine Ahnung. Die Stones muss man gut finden. Von Abba will ich hier mal gar nicht reden. Was habe ich für Spott und Häme ertragen müssen.

Nun gibt es seit einiger Zeit auch noch so etwas wie political correctness. Man darf oder soll bestimmte Dinge nicht mehr sagen, weil sich dadurch einzelne Menschen, oder Gruppen von Menschen, auch Staaten, verletzt fühlen. Und dann kommt im geringsten Fall die verbale Keule, das große Theater. Da wird man schnell nicht nur als ungebildet oder ahnungslos entlarvt, nein, man liegt auch moralisch völlig daneben. Und wer will das schon?

Ich habe mich zum Beispiel köstlich über Harald Martensteins Kolumnen zur Berlinale amüsiert. Auch ich fand, dass Sha Rukh Khan das mit dem Asperger-Syndrom etwas eigenwillig dargestellt hatte. Das habe ich schon anders, wie ich finde, auch besser, gesehen. In dem Film „Adam – Eine Geschichte über zwei Fremde“ zum Beispiel. H. M. wird wohl auch mit seiner Vermutung Recht haben, dass es demnächst mindestens einen Film mit Veronica Ferres geben wird, in dem sie eine Frau in Afrika spielt, die unter Asperger leidet. Weil jetzt nach Depressionen und anderen Geschichten vielleicht Asperger die Menschen interessiert. Und damit argumentieren die Fernsehprogrammbestimmer ja gern, sie sagen, das Publikum will sehen, was man ihm serviert. Wäre es anders, würde es ja ausschalten.

Auf alle Fälle haben mich die Reaktionen auf diese Kolumne erstaunt. Einige Menschen, die unter dem Asperger-Syndrom leiden, fühlten sich als Kranke verunglimpft, nicht ernst genommen. Und Harald Martenstein sollte sich wenigstens entschuldigen. Hallo? Und danach meine ich dann leider für ein oder zwei Tage beobachtet zu haben (ich kann mich selbstverständlich täuschen), dass die Kolumnen irgendwie netter und gefälliger wurden.  Bis zu dem Film „Jud Süß“. Da hat er dann Gott sei Dank wieder zu seiner alten Frische zurück gefunden. Aber was mache ich mir hier noch Gedanken über die Berlinale? Vorbei. Erledigt. Klappe. Die Letzte.

2 Kommentare

  1. Mark Rosenberg
    geschrieben am 21. Februar 2010 um 18:29 Uhr| Permalink

    Auch ich habe Asperger, und fühlte mich in der Kolumne verspottet/ nicht ernstgenommen. Asperger ist keine Mode. Viele, die es haben, haben starke Beeinträchtigungen in vielen Lebensbereichen. Dass Asperger jetzt vermehrt in Spielfilmen thematisiert wird, kann nur von Vorteil sein, denn es gibt nach wie vor Viele, die sich wundern, warum in ihrem Leben so Einiges schief läuft und nicht wissen, dass vielleicht diese Variante des Autismus dahinter stecken könnte. Hinzu kommt, dass nach meiner Erfahrung etwa 90% der Menschen noch nie etwas davon gehört haben und es jedes Mal sehr schwer ist, das Asperger-Syndrom in all seinen Ausprägungen zu beschreiben. Deshalb kann ich als Aspie nur sagen: um so mehr Filme darüber, umso besser.

  2. Nanette
    geschrieben am 22. Februar 2010 um 08:55 Uhr| Permalink

    Lieber Herr Rosenberg, danke für Ihren freundlichen Hinweis. Ich habe die Kolumne so verstanden, dass Harald Martenstein vor allem über die Medienbranche gespottet hat, die jeden gewitterten Trend sofort aufgreift und ihn dann breit tritt. Und damit wir auch wissen, wie ernst es ist, werden bestimmte Schauspieler besetzt. Es geht nicht um Menschen, die unter einer Krankheit leiden oder die etwas Traumatisches erfahren haben, Missbrauch durch Priester wird wohl demnächst auch ein Thema werden, sondern es geht vor allem darum, wie viel Geld mit dem Stoff zu machen ist. Ob Menschen heute eine größere Toleranz gegenüber Depressionen haben? Ob sie mehr darüber wissen, nur weil es schon Filme darüber gab? Von denen ich einige übrigens sehr schlecht fand und in denen ich mich als immer mal wieder Depressive nicht wiederfinden konnte. Herzlichen Gruß

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