Die Stadtneurotikerin

Dass der Balkon morsch ist, weiß ich. Ich habe ihn bisher auch nur sehr vorsichtig benutzt. Um Wäsche zu trocknen zum Beispiel. Manchmal saß ich in der Tür in der Sonne. Heute war ich mutiger. Bzw. unvorsichtiger. Dabei hatte ich geträumt, dass meine Tage gezählt sind. Dass ich mich vom Leben verabschieden muss. Womit ich mich sogar klaglos abgefunden hatte. Mein Körper sollte zusammen mit einer älteren Leiche in den Orbit geschossen werden.

Daraus ist dann nichts geworden. Stattdessen bin ich sehr real durch ein morsches Brett gebrochen, mein linkes Bein war bis zur Hüfte plötzlich verschwunden. Jetzt habe ich da vom Knie nach oben eine lange, aber harmlose Schürfwunde. Mehr ist Gott sei Dank nicht passiert. Aber der Schreck. Und meinen Schrei hat auch keiner gehört. Hier kann man unbemerkt den Löffel abgeben.

Nach einer kurzen Pause, in der ich hektisch die Terrasse gefegt habe, bin ich zur Katze gefahren, die auch heute wieder ihr Futter ignoriert hat.Vielleicht ist sie gestorben. Sie haben mir etwas von Krebs erzählt und einem Tumor, der eigenartigerweise kleiner geworden wäre.. Dement ist sie auch, aber das hatte sich bereits angedeutet. Ich will nicht hoffen, dass sie ausgerechnet  jetzt in den Katzenhimmel wechselt.

Danach mit dem Rad zum Rathaus Wannsee. Den Schreck weg trampeln. Mich verausgaben. Auf dem Rückweg eine Pause am S-Bahnhof. Mit dieser überaus leckeren Erdbeerbowle, die ich vorletzte Woche nach der Sauna entdeckt habe. Dann noch ein bisschen schütteln, eine Träne, der Orbit muss warten.