Während ich vorhin Laub geharkt habe, hörte ich immer wieder die Rufe der Kraniche, sah große Züge, die in einiger Entfernung über uns hinweg flogen. Das ist jetzt wirklich Herbst. November eben. Als wir gestern spät aus dem Bahnhofsgebäude traten, lag unser Dorf im Nebel. Richtig romantisch. Der Film dagegen war alles andere als romantisch. Wir haben uns im Delphie Lux „Casting“ angeschaut, später dort auch noch ein Glas Wein getrunken.

Was nach diesem Film irgendwie nötig war. Obwohl wir auch Wein trinken, wenn es nicht so nötig ist. Eine von den Mädels wäre ja auch gern Schauspielerin geworden, gestern war sie dann froh, dass dieser Kelch an ihr vorüber gegangen ist. Wir wissen natürlich, wie schwierig das für Schauspieler und andere Künstler ist, aber der Film hat doch wirklich mit allen eventuell noch vorhandenen Restträumen aufgeräumt. Würde mich nicht wundern, wenn sie deswegen bald erzählen, dass es so nun aber gar nicht gemeint war.

Wir glauben, dass es genauso fies am Set zugeht. Dass Schauspieler sich zum Robert machen müssen, um den Regisseuren, Produzenten etwas zu bieten, dass sie ihre Seele verkaufen, sich selbst. Dass sie bereit sind, vieles hinzunehmen, wenn sie nur diese eine Rolle bekommen. Oder wenn sie überhaupt mitmachen dürfen. In welcher Eigenschaft auch immer. Hauptsache Film.

Wie undurchschaubar die Regisseurin, wie getrieben die Schauspieler, wie eitel und boshaft, verlogen und berechnend. Alles da. Eigentlich ist uns das Lachen oft im Hals stecken geblieben. Bei dem Wort Anspielwurst z. B. für den Mann, den sie extra engagiert hatten als Stichwortgeber für die Schauspielerinnen, der aber viel besser spielte als der, der für die Rolle  tatsächlich gebucht war.

Ob der Regisseur Nicolas Wackerbarth einen anderen Film gemacht hätte, wenn er schon von diesem Weinstein-Skandal gewusst hätte? In seinem Film sieht man nämlich sehr gut, dass sexuelle Belästigung, überhaupt dieses abwertende Verhalten anderen Menschen gegenüber vor allem eine Frage von Macht ist. Der, der sie hat, der übt sie auch aus.

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