In Genf wollen Schweizer Forscher den Urknall inszenieren. Schon machen sich Menschen darüber Gedanken, ob man das nicht lieber verbieten sollte. Was passiert denn, wenn man ein Schwarzes Loch erzeugt? Die modernen Zauberlehrlinge können das auch nicht genau wissen, vor ihnen hat es noch keiner getan, nicht tun können, weil es die Versuchsbedingungen nicht gab, die man jetzt durch diesen riesigen Protonenbeschleuniger hat. Unsere schöne Erde könnte in diesem Loch verschwinden, und dann sehen wir ganz schön alt aus. Mich persönlich würde es nicht stören, ich bin gerade in keiner guten Verfassung. Der Vorgang des Verschwindens würde ein paar Probleme lösen, also von mir aus, Protonen los. Andererseits habe ich gerade ein wunderbares Buch gelesen, das mich getröstet hat. Es war alles da, was in meinem Fall dazu nötig ist. Drei Hunde, die Liebe einer Frau zu ihrem kranken Mann, der nach einem Unfall in einem Heim lebt. Abigail Thomas beschreibt in ihrem Buch „Die Jahre der Veränderung“ (der englische Titel „A Three Dog Life“ gefällt mir besser, da die Hunde einen großen Einfluss auf das Wohlbefinden der Autorin haben) sehr persönlich, manchmal melancholisch, dann wieder humorvoll, aber niemals sentimental oder rührselig, wie sich ihr eigenes Leben nach dieser Katastrophe gestaltet.

Sie war sechsundvierzig, als sie ihren Mann Rich über eine Kontaktanzeige kennen gelernt hat, schon nach wenigen Minuten wusste sie, dass sie „den nettesten Mann der Welt“ getroffen hatte. Und dann läuft er zwölf Jahre später dem Hund hinterher, der sich von der Leine gerissen hat, und danach ist alles anders. Dem Hund ist nichts passiert, und den Mann flickt man wieder zusammen, nur das Erinnerungsvermögen kann man ihm nicht retten. Er hat ein Schädelhirntrauma, bei dem besonders die Stirnlappen geschädigt sind.

Meist ist Rich zufrieden, wenn Abigail ihn besucht oder mit nach Hause nimmt, aber wenn sie ihn wieder verlässt, vergisst er sofort, dass sie da war. Andererseits scheint er Dinge zu wissen, die man nicht erklären kann. Als hätte er durch die Verletzung Zugang zu einer anderen Ebene der Wirklichkeit.

Ich habe das Buch an zwei Nachmittagen im Café gelesen, mal habe ich laut gelacht, dann wieder musste ich mir ein paar Tränen aus dem Auge wischen, weil das Leben gleichzeitig komisch und traurig sein kann, und wir keinen Einfluss darauf haben. Das ist auch eine Erkenntnis, zu der Abigail Thomas kommt. Sie schreibt: „…inzwischen weiß ich, dass ich meine Zunge hüten, meinen Jähzorn und meinen Appetit zügeln kann, aber das ist alles. Ich kann das Wetter nicht beeinflussen, den Verkehr, das Glück. Ich kann Gutes nicht geschehen lassen. Ich kann von niemanden Gefahr abwenden. Ich kann die Zukunft nicht beeinflussen, und ich kann die Vergangenheit nicht in Ordnung bringen. Welche Erleichterung.“ Vielleicht ist es aber trotzdem gut, wenn sich ein paar Menschen über das Schwarze Loch Gedanken machen.

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