Hier ist der Sommer ausgebrochen. Man kann auf dem Schiff am Innenministerium sitzen, Kaffee trinken, sich schaukeln lassen, und dabei ganz schön ins Schwitzen kommen. Von der Sonne, aber auch von den eigenen Überlegungen. Auf dem Weg zum Potsdamer Platz, wo ich mir von einer wortkargen Orthopädin Akupunkturnadeln an empfindliche Stellen setzen lasse, sind mir die Läufer gegen Osteoporose entgegen gekommen. Parlamentarier und Mitglieder des Bundestages wollten mit ihrer Aktion die Bevölkerung für diese Krankheit sensibilisieren und uns darauf hinweisen, dass wir uns sportlich betätigen müssen, wenn wir gesund bleiben wollen.

Mir müssen sie das nicht sagen. Ich bin zum Potsdamer Platz gelaufen. Fünfundvierzig Minuten. Zügig. Zurück bin ich ebenfalls gelaufen. Weniger zügig, weil ich eine Blase an der linken Sohle hatte und von der Akupunktur so müde war, dass ich überlegt habe, ob es nicht sinnvoller wäre, mich im Tiergarten unter einen Baum zu legen und eine Stunde zu schlafen. Dann habe ich es aber doch bis zum Schiff geschafft.

Wenn ich meinen Körper betrachte, dankt er mir das Laufen nicht. Das Pilates-Training auch nicht. Oder meiner Meinung nach zu wenig. Aber vielleicht muss ich es noch ein paar Monate machen. Vielleicht Jahre. Ich bin in keiner guten Verfassung. Körperlich sowieso nicht, aber auch nicht mental. Der Körper redet mit mir, das macht er schon seit ein paar Jahren, ich habe mich immer damit heraus gewunden, dass wir nicht dieselbe Sprache sprechen. Diese Behauptung kann ich nicht länger aufrecht erhalten. Ich weiß, worum es geht. Ich muss eine Entscheidung treffen. Was will ich mit den zwölf oder dreizehn Jahren, die mir bis zur Rente bleiben, beruflich anfangen? Soll man an meinem Grab etwa sagen, ich hätte es tapfer in der Firma ausgehalten, obwohl ich von einem anderen Leben geträumt habe? Danke. Da möchte man gleich noch einmal sterben.
Ich weiß nicht, was ich will. Weniger Schmerzen. Keine Depressionen. Mich tapfer auf neue Herausforderungen stürzen. Mit diesem Körper? Mit welchem denn? Ich könnte eine Spontanheilung erleben und dann unterrichten. Anderen sagen, wie so etwas geht. Menschen heilen sich selbst. Wenn sie eine Medizin nehmen, ist das letztendlich auch nur ein Placebo. Der Körper heilt sich, wenn das Gleichgewicht wieder hergestellt ist. Das ist nicht nur eine esoterische Ansicht, moderne Psychologen sagen das auch. Darüber könnte ich sogar ein Buch schreiben. So etwas interessiert Menschen.

Corinna Harfuch als Rose in dem Film neulich hat mir gefallen. Sie lebt mit den drei Söhnen in einem alten Haus, alle haben ihre Probleme, die Katze bekommt Junge, der Kleine dealt ein wenig und kifft, der Große hat etwas mit Roses Freundin, der mittlere hat noch keine Freundin, wünscht sich stattdessen Kontakt zum Vater. Und Rose schreibt derweil Arzt-Romane. Wäre das nicht etwas für mich? Als Kind habe ich jede Menge Groschenhefte gelesen. Arzt-Romane, Jerry Cotton, Western. Ich bilde mir ein, zu wissen, wie man so etwas schreiben muss. Wenn ich das Talent zum Klischee habe, in diesen Romanen muss man es sogar bedienen.

Etwas muss passieren. Seit Tagen sammle ich Ideen. Was würde ich am allerliebsten tun? Schreibend mein Geld verdienen. Träum weiter. Mit Menschen kommunizieren. Ein Seminarhaus leiten, in dem Frauen über 50 das Sagen haben. Sie putzen, waschen, kochen, halten Seminare ab. Die Angebote richten sich an Menschen mittleren Alters. Dazu ein Cafe und ein Buchladen. Alles in der Hand älterer Frauen. Meinetwegen auch Männer, man soll sie ja nicht ausgrenzen. Wir bieten auch Seminare für Kinder und Jugendliche an. Wir lehren gewaltfreie Kommunikation. Bilden Mediatoren aus. Wir tanzen, malen, spielen Theater. Vielleicht könnte ich mein Geld auch damit verdienen, dass ich andere mit Ideen versorge, falls sie vorhaben, ihr Leben zu ändern.

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