Die Schwester bringt zwei große Spritzen, sie kommen zu den restlichen Folterwerkzeugen auf das Tablett. Ich überlege einen Augenblick, wie es wohl aussähe, wenn ich mich meines Latzes entledigen und die Flucht ergreifen würde. In diesem Moment kommt die Ärztin, die gute Laune und Optimismus verströmt. „Wie geht es ihnen heute?“ „Schlecht. Der Magen. Und der Darm. Und…“ „Ach, sie arme. Das hatten hier alle in den letzen Tagen.“ Nun muss ich mir also auch noch das Mitleid teilen. Ich werde sie in ein Gespräch verwickeln. Über Sinn und Unsinn einer Parodontose-Behandlung. Die doch eigentlich nutzlos ist, wenn man sie schon fünf Jahre später wiederholen muss. Es gibt doch bestimmt eine andere Variante? Fünf Minuten später lasse ich mir brav die Spritzen setzen. Den Mund schön weit auf. Ja, ich möchte den Rest-Zahnbestand noch eine Weile erhalten. Die Frage nach der Wirkung der Spritzen kann ich dann schon nicht mehr beantworten, die Unterlippe befindet sich auf  Schulterhöhe, ein gequältes Nicken genügt in diesem Fall.

Die Prozedur ist genauso unangenehm, wie ich sie in Erinnerung hatte.  Und natürlich habe ich mir die Zeit nicht damit vertrieben, mir Gedanken über das neue Expose zu machen. Stattdessen habe ich versucht, mit einem Zahnarzt-Engel Kontakt aufzunehmen. Wenn der Mann einen Engel hat, der ihm Parkplätze frei hält, dann könnte doch in meinem Fall mal einer schauen, wie ich mir mit verkrampften Schultern, schweißnassem Gesicht und verknoteten Händen den Kiefer ausrenke. Hallo? Wer auch immer für diesen Fall zuständig ist, könnte derjenige mal? Waren wohl alle unterwegs. Oder es war einer da und er hat was verwechselt. Denn die Magenschmerzen, die waren am Ende verschwunden.

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