Die Schwestern waren gestern nicht nur zum Mittagessen hier, später haben wir uns auch noch im Filmkunst 66  getroffen. Jim Broadbent und Charlotte Rampling, wir dachten, das müsste eine gute Kombination sein.  Nach ein paar Minuten erinnerte ich mich sogar daran, das Buch von Julian Barnes vor ein paar Jahren gelesen zu haben. „Vom Ende einer Geschichte“. Inzwischen bin ich gewillt anzunehmen, dass es mir besser gefallen hat. Aber stimmt das?

Im Film hat es dieser Tony Webster auf alle Fälle nicht leicht. Die Frauen gehen mit ihm um, als wäre er ein Trottel. Tochter, Ex-Frau, irgendwie sind sie alle beleidigt, und die Freundin von damals sowieso. Wozu sie vielleicht einen Grund hat, aber konserviert man so etwas tatsächlich über mehr als vierzig Jahre?

Eigentlich geht es um unsere Erinnerung. Erzählen wir uns (und den anderen) wirklich die richtige Geschichte? Oder war es nicht ganz anders? Im Film wirkt das irgendwie bieder, langatmig, zwischendurch wollte ich nachschauen, wie lange ich noch bleiben muss. Danach waren wir so müde, nicht mal zu einem Glas Wein konnten wir uns noch überreden.

Dafür habe ich auf dem nächtlichen Heimweg eine Pause an der Rehwiese eingelegt und überprüft, ob mir Hausmanns Lektion vom Vorabend noch in Erinnerung ist. Arcturus finde ich inzwischen allein. Auch Jupiter leuchtet für sich. Aber was ist mit Deneb, Atair und Wega? Alle noch da. Von mir janz alleene jesichtet.

2 Kommentare

  1. Mr Houseman
    geschrieben am 5. Juli 2018 um 10:09 Uhr| Permalink

    Madame, ich bin sehr stolz auf Sie!

    Deneb schaue ich auch immer sehr gerne. So unscheinbar er wirkt im Vergleich mit Wega, Arcturus und Atair, so gigantisch ist doch seine wahre Gestalt. Neben ihm nähme sich unsere Sonne aus wie ein Stecknadelkopf neben einem Medizinball. Sein Licht, das in unsere Augen fällt, war schon unterwegs, bevor sich hier drei Weise auf den Weg machten um einem anderen Stern zu folgen.

    Als Sie noch im Kino saßen, Madame, und sich fragten, wie lange Sie noch aushalten müssen, da waren ein paar Photonen von Deneb schon tausende Jahre durch das Weltall gerast. Als Sie in der S-Bahn saßen, passierten sie Pluto, als Sie ausstiegen, flogen sie an Mars vorbei, und ein paar Minuten später, als Sie auf der Rehwiese standen und Deneb entdeckten, zergingen sie auf Ihrer Netzhaut, „und hörten im Herzen auf, zu sein“.

  2. Nanette
    geschrieben am 5. Juli 2018 um 14:01 Uhr| Permalink

    Monsieur,

    diese Vermischung von Poesie und Wissenschaft, immer wieder Freude und Erfrischung für die von der Hitze gebeutelte Leserin. Deren Vorhang sich gerade lautlos aufgeschoben hat. Google sei Dank.

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