Die Stadtneurotikerin

Es sind elf Gläser geworden, eins auch halal für den Iraker. Und Goloka bekommt morgen mal keinen Kuchen, sondern ein Lebkuchen-Dessert. Der Kamin ist aufgeräumt, die Lichterkette vom Hausmann hängt, im Eßzimmer fehlt noch ein Stuhl. Mit den beiden Campingsesseln vom Mopedfahrer werden später alle einigermaßen bequem am Kamin sitzen können. Wir haben in diesem Jahr mal über die Anschaffung eines neuen Sofas für das Wohnzimmer nachgedacht. Wer uns kennt, der weiß, dass da noch Jahre ins Land gehen können, bevor etwas passiert.

Dafür ist ja sonst einiges passiert. Ein pralles Jahr. Nicht alles hätte ich mir so ausgesucht. Den Tod der Freundin bestimmt nicht. Aber es kommt mir so vor, als hätten mich diese Wochen mit ihr, vielleicht auch diese letzte Lebensstunde an ihrem Bett, diese verrückte Nacht anschließend, als hätten mich diese Erfahrungen irgendwie weicher gemacht. Mehr einverstanden, sogar dankbar für  „Alltage, Ängste, viele kleine Glücke.“ Rilke natürlich, aber ich kann es nicht lassen, das war ja auch mein Rilke-Jahr.

Und dieser gigantische Sternenhimmel im Havelland. Ein großes Glück. Überhaupt diese Ausflüge. Da gab es viele besondere, viele berührende Momente. Ich habe auch noch nie so viel in Hängematten geschaukelt wie in diesem Jahr. Noch nie so viel vorgelesen, vorgelesen bekommen.

Über diese Dinge sinne ich gerade nach, bevorzugt nachts, und was lese ich nun in den Materialien, die mir die Holländerin geschickt hat? Gerade haben die Rauhnächte angefangen, und da soll man sich mit solchen Fragen oder Themen beschäftigen. Man könnte z. B. auch für jeden geliebten Menschen eine Kerze anzünden. Wenn ich Liebe großzügig auslege, und das tue ich, dann habe ich nicht mehr so viele Kerzen.