Das Meer benimmt sich an unserem letzten Tag, wie es sich für ein Meer gehört. Es rauscht und brummt, Schaumkronen hüpfen in der Sonne, Wellen schlendern gemächlich dem Strand entgegen. Der Mensch steht andächtig da und schaut. Die Möwen leisten ihm Gesellschaft. Gebadet wird nicht, nur ein paar Waagemutige haben Schuhe und Strümpfe ausgezogen. Der Sand ist hart und kühl.

Das Abschiedsessen in der Buhne 12 war köstlich. Zander auf Spinat. Die Mädels haben sich 2 Kugeln Zimteis mit heißen Pflaumen geteilt, ich hatte meine rote Grütze mit Eis und Sahne für mich allein. Das Essen lag hinterher auch nicht stundenlang schwer im Magen. So gut war das. Sogar bezahlbar fanden wir es. Angesichts des Platzes keine Selbstverständlichkeit, nirgendwo sonst hat man diesen unverstellten weiten Blick auf das Meer. Skrupellosere Geschäftsleute hätten hier schon längst einen Gourmet-Tempel errichtet, wo man in ihre Bestandteile zerlegte, anschließend wieder zusammengesetzte Speisen an irgendetwas bestellen kann. Wir sollten beten oder affirmieren oder visualisieren, dass hier wenigstens alles beim alten bleibt.

Einmal einen Sommer hier verbringen. Meinetwegen auch einen Herbst oder Winter. Einmal stundenlang an einem Fenster sitzen, auf das Meer schauen, nichts denken, nur sehen und fühlen, nachts von dem Rauschen der Brandung in den Schlaf geschickt werden. In den Zeiten, in denen nicht geschaut und gefühlt wird, könnte man schreiben.

Es gibt nicht viele Orte, die Menschen zum Träumen bringen. Die sie inspirieren und ihnen Kraft geben. Orte mit Seele also. Einer Seele, die andere Seelen berührt und zu sich ruft. Ahrenshoop ist ein solcher Ort. Darum wundert es nicht, dass schon vor mehr als hundert Jahren ein paar Maler gekommen sind, die, angezogen von dem Licht und dem Charme der Landschaft, hier eine Künstlerkolonie errichteten.

Künstler sind interessante Leute. Es gibt Menschen, die nur wegen ihnen kommen, die es schätzen, sich in ihrer Nähe aufzuhalten. Vielleicht hoffen sie, dass etwas von dem Glanz und dem Nimbus, der den Künstler umgibt, auf sie abfärbt. Leider sind es irgendwann zu viele, die etwas abhaben wollen von den Künstlern und der Schönheit. Von der Stille. Der Natur. Dann wachsen meist proportional zu den Bausünden in den Restaurants und Pensionen die Preise. Und einige Menschen sind plötzlich der Meinung, Natur und die Landschaft wären ihr persönlicher Verdienst. Vor allem Bürokraten scheinen das zu glauben. Sie verwalten schließlich die Schönheit. Wahrscheinlich arbeiten in einem Künstlerhaus wie dem Lukas, das auf seinem Flyer unter anderem damit wirbt, dass es Ateliers und Zimmer an Künstler vermietet, auch ein paar Menschen dieses Typs.

350,- EUR im Monat für 13 m², billig ist es nicht, aber wer sagt denn, dass Künstler wenig Geld haben? Natürlich werden ehemalige Stipendiaten bevorzugt. Das versteht sich von selbst. Ob man als „nicht ehemaliger Stipendiat“ eine Liste vorlegen muss, auf der die Namen der eigenen Werke verzeichnet sind? Fragen kann man ja mal, das kostet nichts. Dachten wir, können wir aber nicht empfehlen. Es sei denn, man sieht wie ein echter Künstler aus, ist weder zu alt noch zurückhaltend. Anderenfalls wird man abgewimmelt. Ein wenig herablassend, keine Frage, dass man kaum eines Blickes gewürdigt wird. Man kann im nächsten Jahr noch mal fragen. Aber besser wäre es, man würde es sein lassen.  

Vielleicht kann man in ein paar Jahren gar nicht mehr nach Ahrenshoop fahren. Es sind ja nicht nur gestresste Mitarbeiter oder Praktikanten in Kunsthäusern, die einem ein wenig die Laune verderben. Da gibt es unfreundliches Service-Personal in Hotels, das einem ein Frühstück verweigert, weil man kein Hausgast ist. Vermieter, die längst den Sinn für Relationen verloren haben, die 80,- EUR für ein kleines Zimmer, mit alten Möbeln eingerichtet, alles Antiquitäten natürlich, angemessen finden. Ohne Früstück selbstverständlich.

Vielleicht möchte man ja wirklich nur die Besserverdienenden hier haben. Aber da sollen die Ahrenshooper mal schön aufpassen. Nach einer Weile werden es die nämlich langweilig finden, nur unter ihresgleichen zu sein. Dann hätten wir ja gleich nach Sylt fahren können, werden sie sagen. Oder in den Prenzlauer Berg. Wenn es so weit ist, müssen wieder ein paar Künstler kommen.

 

 

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