Damit ich mir nicht den Hintern verkühle, sitze ich auf dem Rucksack. Den Rücken lehne ich an die Wand. Schuhe und Strümpfe habe ich ausgezogen. Vor mir funkelt die Spree in der Sonne. Ich habe mir nicht nur etwas zum Schreiben sondern auch Espresso in der Thermoskanne mitgebracht, ein paar neidische Blicke gab es schon. Für die unbequeme Haltung werde ich später büßen müssen, aber was interessiert mich zukünftiges Leid, wenn ich doch sowieso immer im Hier und Jetzt sein soll. Wahrscheinlich werde ich einen der vorübergehenden Passanten um seine Hand bitten müssen, damit ich wieder in die senkrechte Position komme. Vielleicht muss ein Kran geholt werden.

Den Mann, der da gerade in meinem Blickfeld auftaucht, würde ich wohl vergeblich bitten. Er wohnt unter uns. Angeblich bringe ich ihn um den Verstand. Ich laufe über seinem Kopf herum, manchmal bewege ich mich auch mit dem Bürostuhl. Er benimmt sich wie immer und sieht durch mich hindurch. Ich möchte ihm hinterher rufen, hör zu, wenn ich fliegen könnte, würde ich es tun, aber wahrscheinlich würde es auch nichts nützen. Er hat sich entschieden. Ich bin seine Feindin.

Ein Mann in braunem Jackett und einer gebügelten Stoffhose bleibt ein paar Meter von mir entfernt stehen. Er fragt mich, ob ich Auto fahren kann. Am besten wird es sein, wenn ich ihm eine Gegenfrage stelle, vielleicht will er mir einen Job anbieten. Der denkt womöglich, die Dame sitzt hier an der Spree in der Sonne, andere sitzen um diese Zeit im Büro, vielleicht würde sie sich auch gern etwas nützlich machen.

Meine Reaktion irritiert ihn offensichtlich. Wieso beantwortet sie nicht einfach meine Frage? Dann erinnert er sich wieder an seinen Auftrag. Also. Früher. Die Leute in der BRD, die sind ja im Prinzip glücklich gewesen. Die konnten mit ihren Autos herum fahren. Nichts hat ihnen gefehlt. Aber sie wollten auch in der DDR herum fahren. Er sieht mich fragend an. Hat sie das bis hierher verstanden?

In meinem Gesicht wird er lesen, wie ratlos ich bin. Er mustert meine Thermoskanne, er mustert mich. Ob er vielleicht einen Kaffee möchte? Nein. Er wartet auf ein befreiendes Wort von mir. Ich kann es ihm nicht geben, da ich nicht verstehe, worauf er hinaus will. Jetzt reicht es ihm aber. Wenn 5000 Leute die Sonne spüren, ist das ein gemeinsames Gefühl. Das wollte ich ihnen bloß sagen. Mit diesen Worten und einer kleinen Verbeugung in meine Richtung verabschiedet er sich.

Eine Ente kommentiert das Geschehen auf ihre Weise. Mir ist kalt, ich trinke den letzten Schluck aus der Kanne, dann ziehe ich mir die Strümpfe wieder an.

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