Bestimmt liegt es am fehlenden Koffein, ich bin ständig müde. Vier Tage ohne, das war hart. Kein Kokain, keine Zigaretten, kein Alkohol, keine Tomaten usw. usw., der Verzicht ist mir nicht schwergefallen, nur der Espresso hat mir doch sehr gefehlt. Aber ich sollte nicht herummaulen, sondern mich darüber freuen, dass ich eine solch engagierte Hausärztin habe, die sich informiert, forscht, und die mir am Ende sagt, ihr wäre wohler, würde ich diese Untersuchungen machen.

Weil ich heute auch größere Anstrengungen vermeiden sollte, habe ich mich gar nicht angestrengt. Stattdessen saß ich im Garten, zog mich an, zog mich wieder aus, wieder an, und las in dem neuen Buch von Lutz Seiler. „Stern 111“.

Ich brauchte einige Seiten, bis ich in der Geschichte war, bis ich dem jungen Dichter Carl von Gera nach Berlin folgen konnte, in jenes Ost-Berlin der so genannten Wendezeit, in dem alles möglich scheint. Soziale Gerechtigkeit, Fürsorge füreinander, vielleicht sogar eine neue Gesellschaft. Ich beneide diese jungen Menschen, die sich von den Verheißungen des Westens nicht den Geist vernebeln lassen. Und gleichzeitig bewundere ich aber auch Carls Eltern, die zwei Tage nach Maueröffnung in den Westen gehen, die alles stehen und liegen lassen für einen Traum, für welchen weiß ich noch gar nicht, die im Notaufnahmelager landen, in Durchgangswohnheimen, die nicht gerade mit offenen Armen empfangen werden, da gibt es durchaus Parallelen zur heutigen Zeit. Und das alles kommt so leicht daher und entfaltet einen solchen Sog, ich muss wieder zurück in die Rykestraße.

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