Nach dieser Nacht und diesem schrecklichen Morgen, an dem ich das Gefühl habe, ich wäre kurz vor dem Durchdrehen, ich kann die Gedanken in meinem Kopf nicht mehr zur Ruhe bringen, ich beobachte sie zwar, aber sie werden mehr und unübersichtlicher und all das Beobachten führt am Ende zu nichts, ich fühle mich nur noch scheußlicher, ist es Zeit für eine weitere Fahrt nach Neustadt.
Eine Freundin hat mir von einem homöopathischen Mittel geschrieben, das ihr in schwierigen Situationen schon sehr geholfen hat. Ich glaube allerdings, dass ich etwas stärkeres brauche. Die gute alte Schlaftablette. Zwar habe ich noch nie eine genommen, aber jetzt scheint der Moment dafür gekommen.

Die Apothekerin mustert mich wie sie glaubt unauffällig, mein Wunsch ist nicht ungewöhnlich, täglich werden Menschen Schlaftabletten kaufen wollen, dann empfiehlt sie mir das gleiche Mittel, von dem schon die Freundin schrieb. Das ist nicht nur für den Schlaf, das bekämpft auch die Unruhe. Dann muss ich wohl noch schrecklicher aussehen, als der Spiegel mir das gezeigt hat.

Im akuten Stadium kann man alle Stunde eine Tablette nehmen, sagt sie, maximal zwölf am Tag. Ich kaufe das Mittel, zusätzlich aber eine Packung Schlaftabletten. Bevor ich mich auf den Heimweg mache, verspeise ich beim Fleischer eine Scheibe Tomate-Mozzarella-Braten, der Appetit ist wieder da, dazu zwei Löffelchen von einem leichten Kartoffelsalat. Und für zu Hause nehme ich mir vom Bäcker nebenan eine Rhabarberschnecke mit.

Der Rückweg ist schon viel angenehmer, dabei habe ich das Mittel noch gar nicht genommen. Der Sturm hat sich gelegt. In meinen Kopf ist Ruhe eingekehrt. Ich sehe die Schönheit der Landschaft, freue mich an der Bewegung, fühle mich schon viel sicherer auf dem großen Rad. So sicher, dass ich ein paar Meter freihändig fahre.

Daheim schäkere ich mit Grete, esse meinen Kuchen, und nehme stündlich eine Pille. Frieden. Ich versuche, eine Kuh zu hypnotisieren, und dann fange ich an, „Leviathan“ von Paul Auster zu lesen. Das wollte ich immer schon, nun habe ich es in der Nachbarwohnung im Bücherregal entdeckt.

Um zehn gehe ich ins Bett, und dann schlafe ich mit kurzer Unterbrechung bis um sechs. Beim Aufwachen ist die Welt zwar nicht wieder heil, aber ich sehe ein kleines Licht.

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