Alle Stunde höre ich den Stiefvater im Flur. Er schläft schlecht, kein Wunder, ich kann gar nicht erst einschlafen. „Wie deine Mutter.“ Stimmt. Ich weiß, dass sie schlecht schlafen konnte, dass sie Tabletten nahm. Das mache ich nicht. Ich wiederhole Gedichte, aber das hilft mir gerade nicht. Außerdem habe ich wie meine Mutter immer die Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger, wenn meine Hände in Mantel- oder Jackentaschen stecken. Das haben wir erst vor einigen Jahren herausgefunden. Was denn, du auch?

Es gab wohl mehr Gemeinsamkeiten, als mir bewusst sind. Allerdings steckt nicht hinter jedem „wie deine Mutter“ eine positive Erinnerung, was aber dem Umgangston geschuldet sein kann, der rauh aber herzlich ist. Er: „Hier. Ich habe es dir aufgeschrieben.“ Sie: „Glaubst du, ich bin blöd?“ Er: „Nein. Alt.“

Als am Donnerstag der Bestatter hier war und mein Stiefvater die Heiratsurkunde suchte, hat er eine Kiste mit alten Fotos entdeckt. Darin auch viele Fotos meiner jungen Mutter, die ich noch nie gesehen habe. Schnappschüsse. Darauf scheint sie froh, geradezu glücklich zu sein. Neugierig auf das Leben. Selbstbewusst. Lebendig. Keck, ohne kokett zu sein. Liebevoll. Zärtlich. Wie gern hätte ich diese junge Frau kennengelernt, der ich mich plötzlich so verbunden fühlte. Schmerzlich verbunden. Als ich später im Dunkeln spazieren gegangen bin –  natürlich habe ich mich mal wieder verlaufen – habe ich ihr davon erzählt.  Ach Mama…..

Einen Kommentar schreiben

Ihre Daten werden niemals an Andere weiter gegeben.
Die Email-Adresse wird nicht angezeigt. Notwendige Felder sind so markiert: *

*
*