Ich weiß schon gar nicht mehr, wie das geht. Morgenseiten schreiben. Nur schreiben, was mir gerade in den Kopf kommt. Nicht bewerten. Keine Texte verfassen. Nicht ständig arbeiten. Ich arbeite die meiste Zeit. Überlege, was ich wie formulieren könnte. Denke nach. Das vor allem. Selten bin ich einfach nur da. Mache nichts. Mein Geist ist ständig in Aktion. In mir summt und brummt es, sogar im Hintergrund ist so ein eigenartiges Rauschen. Dabei wünsche ich mir nichts sehnlicher als Frieden. Inneren Frieden. Der mir leider nicht geschenkt wird.

So ein Quatsch aber auch. Natürlich wird der mir nicht geschenkt. Als käme die gute Fee und wirft einem den Frieden vor die Füße. Hier hast du. Mach was draus. Frieden wird nicht verschenkt. Das weiß ich doch längst. Der Frieden ist da, wenn ich aufhöre zu kämpfen und Widerstand zu leisten. Widerstand gegen den Schmerz. Widerstand gegen das komische Gefühl im Magen. Widerstand gegen das Wetter. Gegen mein Gewicht. Gegen die Zahnschmerzen rechts oben. Gegen das überzogene Konto. Gegen die Bankenkrise. Gegen das dünner werdende Haar. Gegen mein Nichtwissen, wie es im nächsten Jahr weitergeht. Ob ich ein Zentrum für Menschen mit chronischen Schmerzen gründe oder einen Verlag. Oder ob ich nicht lieber eine Ausbildung in Kulturmanagement mache. Oder was immer mir in den nächsten Tagen und Wochen noch einfällt. Immer ist da Widerstand, gegen das, was ist. Ich bin der personifizierte Widerstand.

Ist vielleicht kein Wunder, wenn mir alles weh tut, wo ich mich doch ständig wehre. Ich soll im Hier und Jetzt sein und annehmen. Den schmerzenden Körper. Um die Bankenkrise muss ich mich sowieso nicht kümmern. Den schmerzenden Zahn nehme ich an. Das Wetter auch. Dann wäre da noch meine Unentschlossenheit. Also gut, die nehme ich auch an. Oh je. Das ist leichter geschrieben als getan. Ich muss doch wissen……….ich kann doch nicht so vor mich hin leben und darauf warten, dass es sich irgendwie findet. Da müsste ich mir ja nie wieder Sorgen machen, wenn es so einfach wäre. So einfach ist es auf alle Fälle nicht. Ich muss gewappnet sein. Mir die Katastrophen, die möglicherweise eintreten, schon mal im Geiste ausmalen. Was wäre wenn……..wenn ich nichts mehr zu essen habe. Es keinen Strom mehr gibt. Wenn man mir das Handy sperrt, weil ich die Rechnung nicht pünktlich bezahlt habe. Wenn ich gar nicht mehr gesund werde und im nächsten Jahr immer noch nicht weiß, wie es weitergeht. Wenn dies und das passiert, und ich mir vorher keine Gedanken darüber gemacht habe.

Vielleicht hat Frau Lisa recht, wenn sie mir so eine schwierige Aufgabe gibt. Wissen sie was? Sie machen mal bis zum nächsten Termin gar nichts. Keine Übungen. Kein Muskelaufbau. Keine Überkreuzgeschichten. Sie legen sich täglich zweimal für mindestens zehn Minuten auf die Erde, die Unterschenkel auf einen Stuhl. Und dabei lesen sie keine Zeitung, hören kein Radio, sehen nicht fern. Geschrieben wird natürlich auch nicht. Entspannungsmusik ist erlaubt. Weiter nichts. Täglich zweimal. Haben sie verstanden?

Klar habe ich verstanden. Schwerhörig bin ich ja nicht. Mit dem Inhalt der Botschaft habe ich ein Problem. Was? Ich soll nichts tun? Wo ich doch bisher ein braves Mädchen (aha!) war, alles so gemacht habe, wie man es mir in der Reha gesagt hat. Bauen sie Muskeln auf, machen sie täglich die Übungen für den Rücken, für das Becken, für die Füße, für die Beine. Ich habe mich schon gewundert. Habe schon gedacht, ich bin gar keine typische Schmerzpatientin, denen man nachsagt, sie würden so nach und nach auf körperliche Bewegung verzichten, weil ihnen alles weh tut. Ich war sogar stolz auf mich. War völlig erbost über die Frage, ob ich laufe, turne, mit meinem Gymnastikball übe. Sind die blöd? Was sind denn das für Fragen? Ich turne, gehe, übe, rolle mit dem Ball, tut mir alles weh, aber ich mache es. Beiße ich halt die Zähne zusammen. Und ja, ich bin stolz auf mich, weil ich so streng mit mir bin.

Langsam regt sich in mir der Verdacht, dass ich damit niemandem einen Gefallen tu. Mir schon gar nicht. Dass ich damit lediglich einem altem Muster folge. Zähne zusammen und durch. Vielleicht komme ich damit nie ans Ziel. Vielleicht muss ich mich tatsächlich entspannen. Aufs Sofa legen. Den Wolken hinterher schauen. Das Nachdenken sein lassen. Das Grübeln. Einfach nur da sein. Das habe ich mir doch vor ein paar Wochen schon einmal erzählt. Und dann sofort wieder vergessen.

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