mit Kaffee und Kuchen bei den Schwestern auf der Terrasse saßen – der Hausmann hatte sich mal wieder selbst übertroffen mit seinem köstlichen Rhabarberkuchen mit Baiser – überlegten wir, was wir in dieser Corona-Zeit am meisten vermissen, was wir also als erstes tun werden, wenn sich die Zeiten mal wieder ändern sollten. Eigentlich eine einfache Frage, nur wollte mir auf die Schnelle nichts einfallen. Ich vermisse eigentlich nichts. Vielleicht dies: Alle Freunde, die ich in den letzten Monaten nur einzeln und draußen gesehen habe, in unseren Garten, bei schlechtem Wetter an den Kamin einladen. Und dann jede/n ganz lange umarmen.

Die anderen wünschen sich eine Reise nach Korfu, oder sie wollen auch endlich mehr Freunde treffen, den Großneffen sehen, so etwas. Ganz normale Dinge eben, wie sie vor etwas mehr als einem Jahr normal waren. Diese andere so genannte Normalität,  die von einem „mehr von allem“ geprägt war, wollte von uns schon vorher keine/r.

Als ich heute Morgen noch schreibend im Bette saß, rief mich der Mopedfahrer an. Er fastet gerade mal wieder, das macht er jedes Jahr im Frühling, und weil ihm das so gut tut, fährt er schon mal spontan 60 km mit dem Rad. Das wundert mich überhaupt nicht. Aber natürlich liest er auch. Gerade Harari. Hat ihm seine Freundin zum Geburtstag geschenkt. Er weiß, wie ich zu Harari stehe, wir haben hier beide im letzten Jahr noch kräftig gestritten mit dem Hausmann, der ja ein großer Verehrer Hararis ist. Wenn der mich ärgern will, muss er nur „Harari hat gesagt“ sagen. Eigentlich ist es egal, was Harari gesagt hat, ich bin dagegen. Das ist nicht klug von mir, das ist so eine Art Pawlowscher Reflex, den ich auch gar nicht entschuldigen will.

Aber vielleicht kann ich diesen Reflex abstellen. Ich lese nämlich schon seit ein paar Tagen ein Buch, dass sich mit genau diesen Themen beschäftigt. Eine Empfehlung, über die ich im Compagneronet  gestolpert bin. Wie verändere ich die Welt, um die es – das kann man sehen, das beschreibt Harari ja geradezu genial – nicht zum besten gestellt ist. Charles Eisenstein, Jahrgang 67, hat es geschrieben, der Titel hat meine Buchhändlerin zu einem inneren Naserümpfen bewogen, ich meine, es gespürt zu haben, als sie mir den Titel laut vorgelesen hatte. „Die schönere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich„.

Ja. Was soll ich sagen. Der Titel verleitet vielleicht nicht zum Zugreifen, was ich aber schade finde. Eisensteins These: Obwohl wir uns als separate Wesen empfinden, sind alle mit allem verbunden, und deswegen haben wir alle gemeinsam nicht nur diesen Planeten in seinen jetzigen Zustand gebracht, jeder einzelne von uns kann mit kleineren oder weniger kleinen Gesten eben auch eine Veränderung bewirken. Interbeeing nennt er das neue Denken und Handeln, beschreibt anhand vieler kleiner Beispiele, wie diese Veränderungen aussehen könnten.

Was mich aber besonders zum Nachdenken gebracht hat, ist die Überlegung, dass unser Beurteilen der Situation, der Dinge letztlich auch nur ein Symptom eines seperatistischen Weltbildes ist. Immer wenn ich glaube, meine Meinung, mein Handeln, meine Spiritualität, meine Ernährung usw. usw. ist besser als die meines Freundes, Partners, politischer Aktivisten, dann ändere ich nicht nur nichts, dann bin ich wieder im Stadium des Getrenntseins. Ich glaube, ich muss das Buch gleich noch einmal lesen.

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