gehört mir. Die Mächen sind in der Schule, und da ich heute Nacht doch einige Stunden geschlafen habe, bin ich fast wieder ich. Die vorletzte Nacht habe ich mit Zahnschmerzen überwiegend wach im Bett gesessen. In der halben Stunde, die ich dann aber doch geschlafen hatte, träumte ich von einer versteckten Aktion, an der ich teilgenommen habe. Es ging darum, eine Organisation der Lüge und Manipulation zu überführen. Zu diesem Zweck saß ich mit Richtmikrofon und versteckter Kamera in einem Transporter. Danke liebes Unterbewusstsein. Das wäre nicht nötig gewesen.
Der Großen hatte ich für gestern Nachmittag – die Kleine war beim Ballett – einen Kinobesuch versprochen. Viel Auswahl gab es nicht, also hatten wir uns für „West Side Story“ entschieden. Ich hatte sie gewarnt. Da wird gesungen, getanzt, und es spielt in den 50er-Jahren. Von ihr aus betrachtet also in der Urzeit. Sie hatte mir zuvor erzählt, dass sie ein Buch aus der Bibliothek ihrer Oma gelesen hatte – „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ – und dass sie sich beim Lesen sehr alt gefühlt hätte. Alt? Ja, weil der Roman in einer Zeit lange vor ihrer Geburt spielte, und weil sie außerdem keine andere 13jährige kenne, die so etwas lesen würde. Andere 13jährige sehen sich vielleicht auch kein Musical im Kino an. Was weiß ich. Gestern zumindest nicht, da waren nur noch ein paar andere alte Leute im Saal.
Da ich vor vielen Jahren die „West Side Story“ im Theater gesehen hatte, fürchtete ich, dass ich mich langweilen oder gar einschlafen könnte aufgrund des Schlafmangels. Völlig falsch gedacht. Ich saß da, fieberte mit, stöhnte, wenn auch das junge Mädchen neben mir stöhnte. Macht das nicht, seid nicht so doof und kämpft. Ich habe im Gegensatz zu ihr aber auch geweint. Du hast echt geweint? Ja, die Hälfte der Zeit. Das fand sie erstaunlich. Sie hat erst einmal bei einem Film geweint. Bei welchem? „Mein Lehrer, der Krake“. Oh Gott, da habe ich auch geweint. Heftig sogar.