Ich sitze in der S-Bahn, bin auf dem Weg zur zweiten Parodontosebehandlung – der erste Teil im Dezember hatte mich retraumatisiert, ich fühlte mich ein paar Tage lang ziemlich schlecht, eigentlich wollte ich nie wieder – und jetzt habe ich tatsächlich gute Laune. Vielleicht liegt es an den Texten, die ich lese. Interviews mit Menschen, die gegen den Strom schwimmen, auch wenn es sie den Job, die Reputation, Freunde, die Akzeptanz der Familie kostet. Die Frau neben mir schaut sehr interessiert. Sie hat ein bisschen mitgelesen. Ob ich ihr wohl verraten würde, wie das Buch heißt. Ich zeige ihr das bunte Cover. Menschen mit Mut. Danke. Vielen Dank.

Da ich gleich drankomme, habe ich keine Zeit, mich irgenwelchen Befürchtungen hinzugeben. Die Zahnfee setzt die Spritzen, und schon geht es los. Das Gewirke und Geschürfe und dazu mein Gedankenkarussell. Warum bin ich hier und nicht woanders? Das mache ich ganz bestimmt nicht noch einmal. Ich kann nicht schlucken und bekomme keine Luft. Soll ich die linke Hand heben? Dann hört sie auf.

Doch irgendwann – nach 20 Minuten vielleicht – gelingt es mir, mich aus der zunehmenden Panik zu befreien. Ich erinnere mich daran, dass ich all die Vorgänge im Inneren und im Außen beobachten könnte. So wie ich das früher irgendwann mit den Panikattacken gemacht habe. Statt mir zu erzählen, wie unangenehm das Ganze ist, könnte ich schauen, was genau passiert. Einfach ist es nicht, es erfordert eine gewisse Anstrengung, Konzentration, aber nach ein paar Minuten gelingt es mir. Wow. So geht das also. Schön ist es immer noch nicht, aber ich habe nun einen Abstand zum Geschehen, finde fast interessant, was sich mir zum Beobachten anbietet. Meine Hand, die eben noch verkrampft auf meinem Bauch lag, entspannt sich genauso wie die Schultern, die ich unwillkürlich Richtung Ohren gezogen hatte. Als alles vorbei ist, möchte ich die Zahnfee umarmen und küssen, ich lasse es sein. Stattdessen gehe ich in den Park, setze mich auf eine Schaukel und lache. Ein wenig schief wahrscheinlich, die Backe ist taub und fühlt sich an, als wäre sie doppelt so dick, aber egal.  Ich schaukle und lache.

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