Der Tag beginnt unerfreulich. Über Nacht haben sich die Schmerzen im unteren Rücken, die ich auf das ungewohnte Stehen geschoben hatte, zu einem Problem ausgewachsen. Das Dehnen in der Yogastellung bringt nur kurz Erleichterung, zur Bushaltestelle schleiche ich. Der Termin bei der Schmerztherapeutin um neun. Während der Fahrt überlege ich, ob mein Körper das mit Absicht macht. Ob er ein Bewusstsein hat, das mich in die Knie zwingen will. Kaum äußere ich mich positiv über die Schmerzbehandlung, schon scheint er mir das Gegenteil beweisen zu müssen.

Die freundliche Ärztin, die mir mit ihren Spritzen am Freitag drei schmerzfreie Stunden beschert hatte, will wissen, wie es mir geht. Ich zucke mit den Schultern, den Rest erledigt mein Gesicht. Da müssen wir andere Geschütze auffahren, sagt sie. Und dass es so nicht weitergeht. Ich erzähle ihr, dass ich an meiner Wahrnehmung zweifle. Weil es mir mal rechts unten im Rücken weh tut, dann im Bauch, dann zieht der Schmerz hoch unter das Schulterblatt, mal denke ich, ich hätte einen kleinen Ball im Rücken, der auf die Wirbelsäule drückt. Immer auf verschiedene Stellen natürlich.
Angeblich ist das normal, wenn die Nerven entzündet sind. Und die müssen jetzt mal beruhigt werden. Ab morgen zusätzliche Schmerzmittel oral. Außerdem etwas für den Magen, damit die Tabletten vertragen werden.

Während ich mich in die Yoga-Position begebe, die einzige Stellung, in der es kaum weh tut, sucht die Ärztin die Spritzen, dann markiert sie auf meinem nackten runden Rücken die Stellen, in die sie stechen wird. Erst das Betäubungsspray, dann das Cortison. Ich kenne es schon, es ist unangenehm, vor allem tut es weh, wenn sie tatsächlich einen Nerv trifft. Bei der zweiten Spritze breche ich in Tränen aus. Und ich höre auch nicht auf zu weinen, als ich mit den Akupunkturnadeln und dem Wärmekissen auf der Seite liege. Ich heule hier die ganze EKG-Liege voll, aber das ist mir egal. Ich bin fertig mit den Nerven. So.

Als ich Frau L. später davon erzähle, muss ich schon wieder weinen. Und weil die Spritzen nicht mehr wirken, begebe ich mich auf ihrem Teppich in die Yoga-Vorwärtsbeuge. Erzähle ihr was von unten nach oben, während sie mir ihre Hand auf den Rücken legt. Dabei denkt sie laut darüber nach, wie interessant es doch sei, dass mein Körper mich ausgerechnet in diese Demutshaltung zwingt. Zum Beten?
Das ist ja wieder typisch. Allerdings habe ich schon ähnliche Überlegungen angestellt, was ich ihr aber nicht auf die Nase binden werde. Sie hält mich für bockig und widerborstig, da muss ich mich nicht gerade heute einsichtig zeigen.

Nach der Stunde fahre ich in den Tiergarten, um zu sehen, ob die Jungs von der Entrümpelungsfirma, die vor zwei Wochen schon meinen Umzug gemacht haben, ob die unsere Wohnung tatsächlich leer geräumt haben. Haben sie. Bis auf die paar Sachen, die am Samstag noch von zwei Ebayern abgeholt werden, ist alles fort.
Ich gehe durch die nackten, kahlen Räume, lausche meinen Schritten, das ist nun aber wirklich das Ende. Und dann fahre ich nach Hause. Mit Anthony im Ohr. A place where I can go. Ich schließe die Augen und lächle. Das erste Mal heute.

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