Wind von der Seite. Aber ich will nicht meckern, im Vergleich zu gestern ist das nicht der Rede wert. Und ich bin ja froh, dass ich außerhalb der offiziellen Öffnungszeit im Bioladen einkaufen kann. Gestehe auch sofort, dass ich gestern wegen des Sturmes nicht gekommen bin, um das bestellte Brot abzuholen. Der junge Mann findet das gar nicht abwegig. Er war zum Holzmachen im Wald, hat das aber auch gleich wieder aufgegeben. Beglückt fahre ich mit meinen Einkäufen wieder heim. Auch der Regen kann mir nichts. Ich habe den Regenhut dabei.
Am Nachmittag kommt die Sonne heraus. Ich setze mich an der Giebelseite in die Sonne. Die Briefausfahrerin muss also gar nicht aussteigen. Sie reicht mir mein Buch aus dem Auto heraus über den Zaun. Ich würde es mir ja gutgehen lassen, sagt sie lachend. Stimmt. Obwohl mir die Bonhoeffer Biografie immer wieder das Herz schwer macht. Ich habe heute von seinem letzten Tag gelesen, vielleicht kann ich mich jetzt ein wenig entspannen bei der Lektüre. Dabei weiß ich doch, dass man ihn in Flossenbürg ermordet hat. Zwei Wochen bevor die Amerikaner das Lager befreit haben. Und obwohl er ständig mit seinem Tod rechnen musste, hatte er mit seinem Gott nicht gehadert. Hat im Gegenteil anderen Gefangenen Mut gemacht. Oder ihnen – wie im Fall des jungen Kokorin, Atheist und Neffe Molotows – noch die Grundlagen des Christentums eingeprägt, während er selber russisch von ihm lernte.
In der aufkommenden Dämmerung laufe ich durch den Garten. Bleibe hier und da stehen, um mich an Gräsern und Blüten zu erfreuen. Die Magnolie protzt. Im Westen neben dem Blau ein großer rosa Fleck am Himmel. Ich sage mir das Gedicht von Christian Lehnert auf, das ich endlich kann. Der Tag ist eine Gnade.