Die Dinge erledigen sich natürlich nicht von selbst. Ein Schritt nach dem anderen muss getan werden, Entscheidungen müssen getroffen werden. Allerdings mache ich immer wieder die Erfahrung, dass gerade dann etwas passiert, wenn ich keine speziellen Erwartungen habe, wenn ich mir nicht im Geist ausmale, was alles an Unangenehmen über mich herein brechen wird, wenn ich nicht panisch und nicht ungeduldig bin. Ich weiß das, aber dieses Wissen hindert mich nicht daran, trotzdem panisch zu werden.

Auf dem Weg zur S-Bahn treffe ich J., der mich fragt, ob ich nicht ein paar Stunden in der Woche bei ihm im Laden arbeiten möchte. Die Bezahlung ist alles andere als spannend, aber wir kennen uns nun schon so lange, ich weiß, wie nett er ist, ich glaube ihm, dass er sich selber auch nur einen Hungerlohn zahlt, er vermutet in mir eine zuverlässige und vertrauensvolle Person, der gute Mensch, und ich verspreche, darüber nachzudenken.

Für das Jobcenter habe ich Bögen über Bögen ausgefüllt, meine Einkünfte offen gelegt, viel war da nicht offen zu legen, habe mich über die Möglichkeit zukünftiger Einkünfte ausgelassen, und dann habe ich mir das peinliche Gefühl angeschaut, mit dem ich es trotzdem wage, Transferleistungen zu beantragen.
Wie sich das anhört. Transferleistungen. Wenn Unternehmen Subventionen bekommen, dann schert es keinen, aber ein Mensch, der sich nicht selber ernähren kann, irgendwie ist das sehr unangenehm. Denke ich. Denken wohl auch alle anderen, die mit mir in dem stickigem Raum sitzen, denn außer einem Mann mit gegeltem Haar, chicem Handy, modernem Kurzmantel, der mit erhobener Stimme und Haupt einen Vorschuss verlangt, sieht der Rest alles andere als selbstbewusst drein. Die meisten betrachten ausgiebig den Fußboden.

Dabei sind die Menschen im Center viel netter, als ich das vermutet habe. Was schreiben sie denn so, fragt mich der erste Mitarbeiter, nachdem er alle wichtigen Personalien aufgenommen hat. Viel musste er nicht aufnehmen, es sind alle Daten über mich gespeichert, meine lange Angestelltenkarriere, dann Existenzgründerin, mein gesamter Lebenslauf, es ist alles da, die Berliner Ämter sind hervorragend vernetzt. In seiner Stimme schwingt ein wenig Hochachtung mit, die völlig unbegründet ist, weil ich ja mit meinem Schreiben kaum etwas verdiene im Gegensatz zu ihm, und danach beurteilen wir uns ja selbst, nach der Effektivität, mit der wir Dinge tun, aber ich freu mich natürlich trotzdem über das Interesse.

Der nächste Mann, der mir weitere Formulare zum Ausfüllen aushändigt, ja, auch wenn sie gerade kein Einkommen haben, sind sie immer noch selbständig, ist ebenfalls neugierig. Schreiben sie auch Romane? Bei dieser Frage zucke ich innerlich immer zusammen. Ja, tu ich, aber nein, sie können sie nicht kaufen. Ich sollte die Frage gleich mit nein beantworten, das erspart mir die unangenehmen Erklärungen.

Ich bekomme einen Termin beim Arbeitsvermittler, dann bitte noch die Formulare EKS ausfüllen, und dann habe ich es hinter mir. Und weil ich manchmal daran glaube, dass es irgendeine Instanz gut mit mir meint, dass ich außerdem angebotene Hände nicht ausschlagen soll, sage ich J., dass ich sein Angebot annehme. Er freut sich, ich freu mich auch, und dann bin ich innerlich ganz ruhig. Wird schon alles gut werden.

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