Mit dem Cappu in der Hand den Laptop hochfahren. Nachrichten auf Spiegel online und ntv lesen. Der Druck im Reaktor ist gestiegen. Die Katastrophe nicht gebannt. Eine halbe Million Menschen sind obdachlos, die Versorgung ist immer noch mangelhaft, Hunger und Kälte machen den Menschen zu schaffen, und wahrscheinlich gibt es Gebiete, in denen es nicht mal eine Notversorgung gibt. Mein kleines Butterbrot schmeckt mir nicht.
Im Forum wird über internationale Hilfsangebote gestritten, die angeblich nicht angenommen werden oder nicht in der richtigen Form an die japanische Regierung gerichtet worden sind. Wer hat in diesem Chaos den Überblick? Wer die richtigen Informationen? Und was passiert in Libyen? Wird die Zivilbevölkerung geschützt? Begrüßen die Menschen dort die Operation Odyssey Dawn?

Auch hier lese ich widersprüchliche Aussagen. Und ich denke an den Frosch, der seinen kleinen Teich für die Welt hält. Wir werden doch immer nur über Ausschnitte informiert, hören und sehen nur das, was man uns hören und sehen lassen will oder was ein anderer für die Wahrheit hält. Und dann sollen wir uns eine Meinung bilden. Vielleicht ist die German Angst tatsächlich eine Krankheit. Vielleicht täte uns ein wenig Contenance gut.

Auch in meinem kleinen Teich gibt es Bewegung. Nicht alles gefällt mir. Das Ergebnis meiner persönlichen Input-Output-Analyse ist unbefriedigend. Viel Arbeit, wenig Verdienst. Und dann sind da noch die kleinen und die weniger kleinen Abschiede. Am Freitag ist unser junger Mitbewohner zurück nach Schanghai geflogen.

Vor einem halben Jahr hätte ich nicht gedacht, dass er mir so ans Herz wachsen würde. Vielleicht lag es an den intensiven gemeinsamen Deutsch-Stunden, an seinem heiteren und herzlichen Wesen, seiner Neugier auf unser Land, unsere Sprache, Sitten, an seiner Offenheit und nicht zuletzt an seiner Begeisterung für Kartoffelbrei.

Am letzten Abend gab es deswegen auch eine typisch deutsche (oder das, was man sich unter typisch deutsch vorstellen möchte) Mahlzeit. Kartoffelbrei, Sauerkraut, ökologisch einwandfreie Thüringer Bratwürste. Alles sehr gelungen. Am Ende  trotzdem Tränen auf meiner Seite.

Aufräumen, für Freitag hat sich „der Neue“ angemeldet, auch das Gästezimmer muss geputzt werden, da am Mittwoch die Freundin aus Mannheim kommt, und dann muss ich ausruhen. Die Literaturbeilage der Zeit zu Ende lesen. Vorher noch „schnell“ die Bewerbung schreiben, die ich vor mir her schiebe, weil ich denke, den Job kriege ich doch sowieso nicht. Aber heute Abend. Da werde ich mich zu den Schwestern aufs Sofa setzen und Charlotte Lindholm beim Ermitteln zusehen. Wenigstens da wird die Welt wohl in Ordnung kommen.

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