Schon seit Wochen will ich mir die Ausstellung von Richard Long im Hamburger Bahnhof ansehen. Heute habe ich schlechte Laune, bin unruhig, unzufrieden, aber da ist Kunst betrachten ja nicht die schlechteste Übung. Und dann stehe ich in der riesigen Halle, vor mir ein Kreis aus Sandstein, eine Basalt Ellipse, besser wird meine Laune nicht. Allerdings, die riesige Arbeit an der Wand, „River Avon Mud Circle“, die beeindruckt mich schon.

Aus der Ferne, von nah, ganz nah, ich sehe Möbiusbänder, bizarre Figuren, die aus dem Kreis heraus fallen, neue Figuren bilden, leider gibt es nirgendwo eine Möglichkeit zum Sitzen, bitte, dann eben auf der Erde, die leider keine Erde sondern Stein und reichlich kühl ist, aber das ist jetzt auch egal.

Bevor ich mich auf den Heimweg mache, entdecke ich den Film, den Philip Haas 1988 über Richard Long in der Sahara gemacht hat. Das Licht in der Halle ist ungünstig, viel zu hell, einiges auf dem Bildschirm muss ich erraten, zu sitzen gibt es immer noch nichts, trotzdem befinde ich mich nach 38 Minuten in einem meditativen Zustand.

Er läuft. Und versteht, während er sich dem Rhythmus von Laufen und Schlafen hingibt, etwas vom Rhythmus des Lebens. Die Ideen fließen. „Something is happened in the middle of nothing.“ Sagt er. Und zieht mit dem Absatz des Wanderschuhs Linien oder Kreise, läuft so lange hin und her, bis seltsame Wege entstanden sind.

Er gießt Wasser aus. Langsam. Bedächtig. Wie er alles langsam und bedächtig tut. Achtsam vielleicht. Ist ja heute so ein Modewort. Achtsamkeit. Er richtet Steine auf oder entfernt alle Steine von einer Fläche. Er verändert die Landschaft, fügt etwas hinzu. Sie wird nicht schöner, sie wird anders. Und immer behandelt er sie mit Respekt. Oft stellt er, nachdem er eine Arbeit fotografiert hat, den ursprünglichen Zustand wieder her.

Während ich vor dem Bildschirm auf der Erde sitze und immer ruhiger werde, kommen andere Menschen, greifen nach dem zweiten Kopfhörer,  nach wenigen Minuten gehen sie wieder. Ich möchte sie am Ärmel packen und sagen, hey, hier passiert was, hier kannst du etwas verstehen, auch über dich vielleicht, aber natürlich mache ich das nicht.

Nur mir selber erkläre ich am Ende, was mich an der Ausstellung stört und was ich am Anfang nicht in Worte fassen konnte. Die Objekte brauchen einen anderen Platz. Sie gehören in die Natur. In eine Landschaft. Denn eigentlich sind es flüchtige Erscheinungen. Abhängig vom Licht, von der sich ändernden Witterung. Und hier will man festhalten und konservieren. Andererseits, ich bin zufrieden, ruhig, glücklich sogar. Dann ist alles gut und auch richtig.

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