Der Wecker klingelt um 6.00 Uhr. Im 5-Minuten-Rhythmus klopfe ich ihm auf den Kopf, eine halbe Stunde später stehe ich auf. Vorher bekommt der Mann einen Kuss, ein kleines Lied singe ich ihm auch. Die Melodie ist meist dieselbe, den Text variiere ich. Er mag dieses Ritual. Sagt er. Okay, vielleicht könnte er auf das Singen verzichten. In der Küche schalte ich das Radio ein, höre mir an, wie das Wetter wird, kalt auf alle Fälle, eine junge Frau schwärmt kurz danach vom Leben. Ich setze Wasser für den Tee auf, gehe ins Bad. Den Tee trinke ich später im Stehen vor dem Spiegel.

Ich bügle ein Shirt, absolviere die Übungen für den Rücken, setze den Espresso auf, den ich mit zur Arbeit nehme. Irgendwann dazwischen habe ich mich angezogen. Ich schäume Milch für den Espresso, schneide zwei Scheiben Brot ab, packe eine Banane und eine Tomate in meinen Rucksack, male die Lippen rosa. Fertig. Fünfundvierzig Minuten nach dem Aufstehen verlasse ich das Haus.

An der Haltestelle am Zoo sitzt eine Krähe auf einem schmutzigen Papiertaschentuch, das jemand achtlos weggeworfen hat. Sie sieht verwirrt aus. Als hätte sie gerade ihre Windel abgeworfen. Mir fällt ein, dass ich eine Übung vergessen habe. Aug in Aug mit der Krähe stehe ich mit einem Bein auf der Bordsteinkante, das andere lasse ich baumeln oder schwinge es dezent hin und her. Eine Übung für die Hüfte. Obwohl ich anderer Meinung bin an diesem Morgen, geht mir die Zeile des Liedes aus dem Radio nicht aus dem Kopf. Ich liebe dieses Leben. Das werde ich dem Mann morgen singen.

1 Kommentar

  1. MH
    geschrieben am 19. November 2007 um 16:56 Uhr| Permalink

    Also liebe Frieda,

    jetzt habe ich in aller Eile die Perlen geschluckt, die du mir – nein, nicht vorgeworfen, aus der Familie bin ich nicht – auf den Weg gestreut hast, wohl wissend, daß ich gar nicht anders können werde als der ausgelegten Spur zu folgen. Das sind zuviel aufs Mal, wie der Schweizer sagt, ich muß die erst auf der Zunge zergehen lassen, einzeln, und dann hab ich sicher was zu bemerken, zu Gott oder der Welt der Krähen. Geduld und Nachsicht – das ist übrigens ein guter Text für das Eröffnungsmenu aufm Handy, zur täglichen Erinnerung.

Einen Kommentar schreiben

Ihre Daten werden niemals an Andere weiter gegeben.
Die Email-Adresse wird nicht angezeigt. Notwendige Felder sind so markiert: *

*
*