Am Nachmittag liege ich erschöpft im Garten auf der Liege, eingemummelt in mein altes Bassetti-Plaid, der Wind pfeift nicht nur in den Bäumen, er pfeift mir auch um die Ohren, und wenn ich nach rechts oben schaue, dann sieht es aus, als würde unser Haus schwanken. Aber das ist eine optische Täuschung und liegt an den Wolken, die es heute ganz besonders eilig haben. Ich habe es mal wieder geschafft. Wenn doch vorher nicht immer diese Panik wäre. Dieser Drang, auszuwandern, auch wenn es nur für einen Tag ist.

Der Küchentisch ist übersät mit Blumen, Karten, Briefen, Geschenken. So viele Menschen, die an mich denken, mir ihre Zuneigung schenken, sogar jene, deren Geburtstage ich in diesem Jahr (in anderen Jahren vielleicht auch schon mal) vergessen habe. Asche auf mein Haupt, das ist wahre Großherzigkeit.

Ein Brief macht mich traurig, darin geht es um die schöne Narbe, die sich eines Tages vielleicht über der schönen Wunde bildet, und weil es so poetisch ist und ich es nicht besser beschreiben könnte, da weine ich eine Weile. Sagt man nicht, dass Schmerz und Freude dicht nebeneinander liegen? Bei mir auf alle Fälle.

Meine Ma hatte mir einen Erdbeerkuchen gebacken, das nette Café von Luck die vegetarischen Pizzen, die eigentlich auch Kuchen sind, herzhafte eben, ich musste gar nichts tun. Nur da sein, immer wieder Kaffee kochen, neue Teller oder Gläser holen, natürlich kamen die Gäste in Etappen, reden, zuhören, essen, trinken, mir nette Worte sagen lassen, tut gar nicht weh.

Zur Krönung dann das Ständchen mit Gitarre vom Redner, der neben vielem anderen auch Texte von Ringelnatz vertont, und der gestern wie ein Playboy aussah mit seiner dunklen Sonnenbrille und dem Hut. Wie nett dieser Mann sein kann. Am frühen Morgen hatte er mir allerdings schon einen gewaltigen Schrecken eingejagt.

Auf der Suche nach meinem kleinen Radio – aus ihm heraus erzählen sie mir morgens, wie das Wetter eventuell werden könnte – hatte ich bereits im Kühlschrank nachgesehen, man weiß ja nie, was eine ältere Dame so anstellt, wenn sie nicht ganz bei sich ist, und dann hatte ich aufgegeben. Das Ding ist weg, und wer weiß, wo ich es hin geschleppt habe. Gerade als ich aus dem Bad kam, stand der Redner vor mir, um mir das kleine Radio von außen an die Tür zu hängen. Meinen Schrei wird man bis zum See gehört haben, aber wenigstens bin ich nicht senil, das Ding war tatsächlich weg.

Den kleinen Film mit der gesanglichen Einlage wollte ich auf Youtube laden und dann anschließend hier auf diese Seite, aber allein der Versuch hat mich schon wieder so aufgeregt, dass ich jemanden hauen möchte. Warum sagen die immer, das wäre alles ganz einfach? Nüscht ist einfach, weder das Älterwerden, noch das Geburtstagsfeiern, und diese ganze Technik schon gar nicht. Aber dann geht es doch. Und wer das Video jetzt sehen möchte, der gehe auf Youtube, gebe „Anidana singt Ringelnatz“ ein, und dann hat man ihn.  Und det is och jut so.

2 Kommentare

  1. ich
    geschrieben am 14. September 2011 um 16:46 Uhr| Permalink

    hallo ich verstehe deinen ärger über die technik ,die unser leben angeblich erleichtern soll , uns aber in wahrheit altern lässt und graue haare macht. was übrigens dein altern ausmacht; finde ich es steht dir ausgezeichnet!! und kauf dir ein paar laufschuhe zum joggen. wer weis wie schnell du die brauchst. ein noch unbekannter fan güsst dich hiermit ganz herzlich..

  2. peter
    geschrieben am 26. September 2011 um 11:09 Uhr| Permalink

    die kategorie 100 strangers liebe ich!

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