Mit der Regionalbahn bis zur Friedrichstraße. Ein letztes Treffen mit unserer jungen Holländerin, bevor sie Berlin wieder verlässt. Da kennt sie jetzt die Stadt, aber wie es einmal aussah, gerade im Osten, das könnte ich ihr zum Abschied noch zeigen. Und deswegen sehen wir uns im C/O die Fotos von Gundula Schulze Eldowy an, die sie zwischen 1977 und 1990 in Ost-Berlin, später auch in Leipzig und Dresden gemacht hat. Da ich viele Bilder kenne, dachte ich mir schon, dass es nicht gerade leichte Kost sein würde, dass sie mich jedoch so verstören, damit hatte ich nicht gerechnet.

Gundula Schulze Eldowy zeigt in ihren Bildern nicht nur das Kaputte und Flüchtige der Stadt, in der, wie sie selber sagt, alles immer sang- und klanglos untergeht, nicht nur ihre Zerrissenheit und die ihrer Bewohner, sie zeigt vor allem die inneren und äußeren Verletzungen der Menschen, und das ist manchmal kaum auszuhalten.

Der blutige Schoß einer Frau nach der Entbindung. Missgestaltete Föten. Und dann die alte Frau, in der Hand meist eine Zigarette, die von ihrem Mann früher Tamerlan genannt wurde. Deren Fotos, ergänzt von kleinen Briefen, erzählen eine berührende Geschichte von Alter, Einsamkeit, Krankheit. Erst werden ihr die Zehen, dann ein Bein, dann das zweite amputiert. Am Ende sitzt sie nur noch auf Stümpfen in ihrem Bett, klein, mager, nackt, ihre Augen ziehen mich fast in das Bild, sie ist immer noch schön. Ich beobachte meine junge Freundin, vielleicht hätte ich doch etwas anderes vorschlagen sollen? Aber nein, sie hält das aus.

Heute fotografiert Gundula Schulze Eldowy in Tokio, New York, Paris, Moskau. Sie erkundet Licht und Schatten in Ägypten, das kann man noch in einer interessanten Dokumentation erfahren. Am Ende fühlte ich mich wieder einmal reich beschenkt. Da nimmt jemand Anteil. Da schaut eine genau hin und will sehen.

Im „Zimt und Zucker“ überlegen wir bei Kaffee und Waffel, was wir machen, wenn wir uns im Frühling wiedersehen. Endlich Dampfer fahren. Ins Kino gehen. Ins Museum. Mit der Fähre nach Kladow. Ich bedaure, dass wir in den letzten Monaten nicht mehr gemeinsam unternommen haben. Aber so ist das wohl beim Abschied.  Man kann gute Vorsätze für das nächste Mal fassen.

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