Die letzte Nacht. Ab morgen werde ich wieder in meinem eigenen Bett schlafen. Schade eigentlich. Denn ich hüte gerne anderer Leute Häuser. Und Höfe. Hunde und Katzen und was sonst noch gehütet werden soll. Die Tür zur Terrasse  steht offen. Sieh mal einer an, meine Gute. So wenig im Augenblick bist du. Wahrscheinlich hast du sie schnell geöffnet, bevor du mal wieder dringend aufs Klo musstest. Stimmt. So etwas kann vorkommen. Ich meine, es kann vorkommen, dass ich etwas mache, woran ich mich ein paar Minuten später nicht mehr erinnere. Ob das eine Vorstufe von Alzheimer ist?

Wahrscheinlich wollte ich die Katze hereinlassen. Die sitzt meist draußen, wenn ich von der Abendrunde mit dem Hund komme. Und warum liegt mein Portemonaise auf der Erde? War das die Katze? Hat sie meinen Rucksack vom Stuhl gerissen und dabei ist das Portemonaise herausgefallen? Noch immer sitze ich auf der Leitung. Im Esszimmer liegt mein Laptop auf der Erde. Und in meinen Magen ist jetzt ein komisches Gefühl. Irgendetwas ist ganz und gar nicht in Ordnung.

Der Hund liegt schon wieder friedlich auf seinem Platz. Wenn der so friedlich da liegt, was soll dann schon sein? Ich gehe durchs Haus. Die Zimmer sind durchwühlt, im Schlafzimmer stehen offene Schmuckschatullen auf dem Bett. Schmuck ist auch da. Aber wer weiß, wie viel da vorher drin war. Daneben sitzt die Katze. Sie schnurrt, als sie mich sieht. Ein klarer Fall für 110.

Sie schicken mir zwei uniformierte Polizisten. Die gehen herum, schauen hier, schauen da, keine Einbruchspuren an der Terrassentür. Die Haustür war abgeschlossen, als ich kam.  Da bin ich mir ganz sicher. Der jüngere Polizist sieht mich väterlich freundlich an. „Gute Frau, sie haben die Terrassentür nicht richtig zu gemacht.“ Ähm. Soll ich ihm sagen, dass ich es hasse, wenn man gute Frau zu mir sagt? Und dass ich mir eigentlich sicher bin, die Tür verschlossen zu haben? „Seien sie doch mal ehrlich, inzwischen zweifeln sie doch selber. Stimmts?“

Sie haben es geschafft. Ich halte jetzt alles für möglich. Außerdem bin ich ein einsichtiger Mensch. Wenn es doch Spuren geben müsste. Die sich ganz offensichtlich nicht finden lassen. Nun ja, allzu akribisch wird auch nicht gesucht.

Dann wird ein Protokoll angefertigt. Die Familie soll eine Schadensliste erstellen. Mir fehlen 80 Euro aus meiner Börse, aber meine Güte, das ist nur Geld. Mein Ruf dagegen. Wie soll ich das denn bitteschön erklären? Ich schlafe nicht im Bett sondern angezogen auf dem Sofa. Aber natürlich schlafe ich nicht, denn mir ist übel, ich bin durcheinander, und mein schlechtes Gewissen nimmt Ausmaße an, die ich nicht für möglich gehalten habe.

Um sieben stehe ich auf. Es gibt eine Frage, auf die ich trotz des vielen Grübelns in der Nacht keine Antwort gefunden habe. Wie ist mein Laptop von der Fensterbank auf die Erde gekommen? Denn gewütet wurde ja nicht. Also. Miss Marple ermittelt. Ich untersuche das Fenster, und siehe da, es ist nur angelehnt. Auf der Fensterbank davor Abdrücke. Da haben die beiden Polizisten nur kurz hin geleuchtet. „Sehen sie? Alles zu.“

Ich rufe erneut bei der Polizei an. Dort freut man sich nicht, noch einmal von mir zu hören. „Aber wir haben alles aufgenommen.“ „Das stimmt, aber mit der Suggestion, dass ich die Tür nicht richtig verschlossen hätte.“ „Was wollen sie denn? Im Protokoll steht, es gibt keine Spuren.“ „Eben. Deswegen möchte ich, dass sie noch einmal herkommen. Denn es gibt sehr wohl Spuren.“  „Nein, das werden wir nicht tun.“
Obwohl ich den Mann am anderen Ende der Leitung verärgert habe, verpricht er mir, noch einmal jemanden zu schicken. Bevor er den Hörer aufknallt. Es kommen zwei andere Polizisten. Ja, die oder der Täter sind durch das Fenster gekommen. Keine Frage. Sie nehmen Kontakt zur Kripo auf,  nach einer halben Stunde kommt jemand, der Spuren sichert. Und ja, ich habe Recht, das Fenster wurde aufgehebelt. Allerdings trug der Täter Handschuhe.

Schön, dass wir das klären konnten. Wie ich außerdem erfahre, handelt es sich jetzt um einen schweren Einbruch, und in diesem Fall zahlt die Versicherung. Wenn man denn versichert ist. Mir fällt ein Brocken von meinem Herzen. Offensichtlich wird hier in der Gegend ständig eingebrochen, in manchen Häusern sogar zweimal hintereinander. Und warum haben die meinen Laptop nicht mitgenommen? Die Diebe haben es auf moderne Technik abgesehen.

Einen Kommentar schreiben

Ihre Daten werden niemals an Andere weiter gegeben.
Die Email-Adresse wird nicht angezeigt. Notwendige Felder sind so markiert: *

*
*