Man kann online keine Karten für den Baal-Film im Babylon reservieren, das Kontingent ist bereits überschritten. Ein Kauf wäre möglich, wenn man denn eine Kreditkarte hätte. Gott sei Dank gibt es kreditwürdige Mitbewohner, die manchmal ihre Karte zur Verfügung stellen. Nachdem ich dem Redner versprochen habe, wirklich nur zwei Eintrittskarten zu kaufen, keine Diamanten, kein Chichi, wird das Plastikding großzügig ausgehändigt. Schnell noch eine SMS an Herrn W., 19.00 Uhr in der Kneipe neben dem Kino. 

Der Film fängt mit einer halben Stunde Verspätung an, aber nachdem Volker Schlöndorff erklärt hat, dass es nachmittags einen Film über die Belagerung von Homs – „The Return to Homs“ – gab, und dass die anschließende Diskussion länger gedauert hat, da verzeihen wir das natürlich sofort. Zumal der Film offensichtlich einen starken  Eindruck bei ihm hinterlassen hat. Den muss man sich also auch noch ansehen. Später.

Rainer Werner Fassbinder ist Baal, und auch die anderen Schauspieler, die man aus seinen eigenen späteren Filmen kennt, sind in dem Film, der 1969 gedreht wurde, zu sehen. Hanna Schygulla, Günther Kaufmann, Irm Herrmann u. a.

Baal ist ein dichtender Rüpel, ein Macho, einer, der Frauen benutzt und dann wegwirft, und das ist nicht unbedingt gut auszuhalten, wenn man dem Kerl eigentlich gern eins in die selbstgefällige Visage geben möchte. Aber okay, Brecht hat den Text 1918 geschrieben, und man könnte auch darüber nachdenken, warum der damals offensichtlich der Ansicht war, dass die einzige wahre Liebe nur zwischen Männern möglich sei.

Der Brecht heimlich schwul? Herr W. ist empört. Der war hetero, wenn der nicht, wer dann?

Am meisten gefallen mir die Anekdoten, die Volker Schlöndorff am Ende zum Besten gibt. Nach Margarethe von Trotta befragt, erzählt er, dass sie, wie einige andere auch, den Film jetzt nach 40 Jahren das erste Mal auf der Berlinale im Februar gesehen hat. Und dass sie empört war über die Rolle, die sie damals gespielt hat. Sie ist dem Baal ja fast auf Knien hinterher gelaufen. Mein Gott, das war doch nur im Film.

Am besten hat mir die Story über Helene Weigel gefallen. Überliefert durch einen Schauspieler, der dann später in den Westen gegangen ist. Im Berliner Ensemble sehen sie also alle zusammen den Baal-Film an, der im deutschen Fernsehen (West-Fernsehen natürlich) ausgestrahlt wird. Nach einer halben Stunde verlässt eine verärgerte Helene Weigel dann den Raum. Der Grund für ihren Ärger: Es reicht nicht, sich eine Lederjacke anzuziehen und eine Zigarette zwischen die Lippen zu klemmen. Damit wäre man noch lange kein Brecht.

Womit sie natürlich Recht hätte, wenn sie es denn so gesagt hat. Aber ist das Grund genug, 40 Jahre lang eine Ausstrahlung des Films zu verbieten? Leider gab es auf diese Frage keine Antwort, eventuelle Weigel-Erben haben sich auf Nachfrage im Publikum nicht zu erkennen gegeben.

Wieder ein Film, über den man noch eine Weile diskutieren könnte. Wenn ich nur nicht so müde wäre. Wenn mir der Körper nicht so zusetzen würde, der unbedingt in die waagerechte Position will. Und morgen ist auch noch ein Tag.

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