Wenn ich mir das Wetter ansehe, möchte ich weinen. Der Himmel weint ja auch. Unter Advent stelle ich mir wirklich etwas anderes vor. Wo ist die weihnachtliche Stimmung? Kalt sollte es sein, nach Nelken und Zimt duften, ein sanfter Kerzenschein sollte mein Zimmer erfüllen. Dabei habe ich nicht einmal einen Kranz. Weil ich bei Frau Rose nur Schnullifax gekauft habe anstatt etwas vernünftiges. Und in Görlitz habe ich gestern auf die Schnelle auch keinen Kranz mehr bekommen, obwohl es dort alles gibt.

Sogar Stiefel für den Mann, der beim Einkaufen sonst eher zimperlich ist, der nie etwas anprobieren will, schon gar nicht mehr als ein paar Schuhe. Das Auto haben wir allerdings nicht in Görlitz gefunden, sondern in einem kleinen Ort ein paar Kilometer entfernt.  Mein Herz klopft in freudiger Erwartung, wenn ich an die Zukunft denke. Ich werde mich nicht mehr unter dem Gelächter alter Frauen aus dem kleinen Flitzer schrauben müssen, werde hoch sitzen, alles gut im Blick haben und im Sommer gut gekühlt in Caputh im Freibad ankommen. Sogar einen 12-Volt-Stecker für den Laptop gibt es. Ich könnte während der Fahrt hinten sitzen und schreiben. Paradiesischen Zeiten fahren wir entgegen. Dabei sah es gestern früh gar nicht so aus, als würde es ein erfolgreicher Tag werden.

Ich stand das dritte Mal in dieser Woche mit Seife in Ohr und Haar unter einer vor sich hin tröpfelnden Dusche und war kurz vor einem Tobsuchtsanfall. Wenn ich etwas neurotischer wäre als ich es ohnehin bin, würde ich eine Verschwörung meiner Mitmieter vermuten. Nur woher wissen die, wann ich dusche? Dann regnete es auch noch und die Autobahn war voll. Als hätten alle Berliner die Absicht, sich im Sächsischen nach einem neuen Auto umzusehen. All der Ärger war jedoch vergessen, als es an die Probefahrt ging. Liebe auf den ersten Kilometer.

Der Abstecher nach Görlitz war dann das zusätzliche Schmankerl. Ich soll mir die Stadt schon seit langem ansehen, ein Freund hat sie mir dringend ans Herz gelegt. Zu Recht, wie ich nun weiß. So viele gut restaurierte Renaissance-Häuser findet man sonst selten auf einen Schlag. Und dass es einen unbekannten Gönner gibt, der dieser Stadt seit 1995 jedes Jahr im Frühling 1 Mio. (seit der Euro-Einführung 500 000 Euro) schenkt, macht die Sache nur noch spannender.

Wo gibt es sonst noch Menschen, die anderen etwas gutes tun, ohne dafür die Lobeshymnen ernten zu wollen? Bei der Altstadt-Stiftung ist das Geld in guten Händen, wie man sich vor Ort nicht nur am Ober- oder Untermarkt überzeugen kann. Stilvolle Fassaden, vergoldete Ornamente, mit Gold hätten sie für meinen Geschmack sogar etwas sparsamer umgehen können, aber wenn es denn früher so ausgesehen hat, bitte. Unverhofft gelangt man in kleine Nebenstraßen, die wieder zu anderen alten Häusern führen und gut als Objekt für kitschige Postkarten herhalten könnten. So schön muss es doch gar nicht sein.

Mit unserer guten Nase haben wir auch gleich ein nettes Café gefunden, Galerie 13, Café und Galerie in einem, dort sollte man unbedingt den Mohnkuchen probieren. Weihnachten gibt es sogar Schlesische Mohnpielen, die meine Großmutter so liebte, und von denen ich seit letztem Jahr endlich das Rezept habe. Das Café findet man kurz vor der Brücke, die auf die polnische Seite, nach Zgorzelec führt. Dort kann man besichtigen, wie eine Stadt aussieht, die keinen großzügigen Gönner hat, der man aber von Herzen einen wünscht. Unserem alten Haus wünsche ich gleich noch einen Gönner mit, damit man zu jeder Tageszeit duschen kann, nicht nur zwischen 16.00 und 17.00 Uhr.

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