Mit der S-Bahn zur Friedrichstraße. Wir haben Glück, die Bahn streikt nicht. In Cottbus finden wir fast auf Anhieb den Weg ins Zentrum, wo wir uns die Ausstellung von Thomas Kläber ansehen wollen. „Am Ende der Zeit“. Keine Frage, dass ich für diesen Ausflug sofort den Herrn W. hatte begeistern können. Doch zuerst brauchen wir Nahrung für den Körper. Das Ambiente beim Inder in der Nähe vom Markt nicht beeindruckend, das Essen dafür lecker. Gut gestärkt laufen wir zum dkw (kunst.museum.dieselkraftwerk). Schon der Bau beeindruckt, jedenfalls wenn man  Industriearchitektur mag.

Später lese ich, dass der Architekt Werner Issel zusammen mit Walter Klingenberg auch das Kraftwerk Klingenberg geplant hatte, das ich zwei Jahre lang von meiner Wohnung aus sehen konnte. Von dem war ich damals allerdings weniger beeindruckt. Oft roch es unangenehm, und der schwarze Ruß auf dem Fenster gefiel mir auch nicht.

Die Fotos von Annemarie Jatzlauk, der Frau, die 60 Jahre lang die Bahnhofsdrogerie in Cottbus führte, finden wir in einem einzelnen, hellen Ausstellungsraum. Sieben Jahre lang hatte der Fotograph sie immer wieder getroffen, mit ihr geredet, am Ende sind sie Freunde geworden. Deswegen durfte Thomas Kläber sie auch noch fotografieren, als sie 2013 im Sterben lag.

Poetische, stille Bilder, die nicht nur vom Vergehen der Zeit erzählen, sondern auch von einem arbeitsamen und einfachen Leben. Vielleicht auch von einem einsamen. Wir sehen die schöne alte Frau in ihrer Drogerie, ihrem Garten, in ihrem Haus, mit ihren Hunden, Katzen, der Kuh. Und weil sie immer Tiere  zu versorgen hatte, fuhr sie auch bei Wind und Wetter mittags mit dem Rad nach Hause. Dann wieder zurück in die Drogerie.

Als wir später Kaffee und Kuchen zu uns nehmen, fühlen wir uns immer noch verzaubert. Und beglückt. Das sind  Geschichten, die uns interessieren, die wir sehen möchten. Das ganz gewöhnliche Leben eben.

Und dann müssen wir uns nicht einmal beeilen, für den Weg zum Theater brauchen wir keine 20 Minuten. Nora oder ein Puppenheim. Ich dachte, wenn schon Cottbus, dann richtig.

Wie kann Theater heute überleben, wenn da nur sechs Leute im Zuschauerraum sitzen? Und doch spielen sie, als wäre der Saal voll. Dass es uns trotzdem nicht begeistert, liegt nicht an den Schauspielern, sondern am Konzept. Sie rennen durch das Puppenhaus, von oben nach unten und zurück, atemlos, manchmal gewollt, manchmal sicher ungewollt komisch, aber wirklich berührt werde ich nicht. Und das könnte Theater schon schaffen.

Aber wirklich ärgern tun wir uns nicht, denn allein für die Ausstellung hat sich der Weg schon gelohnt. Wenn man jetzt am Bahnhof noch ein Bier bekäme. Aber da ist tote Hose. Und natürlich schaffen wir die Heimfahrt auch ohne Bier. Als ich weit nach Mitternacht zu Hause bin, fühle ich mich wieder einmal reich beschenkt.

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