Gott sei Dank ist heute erst der 2. Advent und ich muss noch nicht in Panik verfallen, weil ich es mal wieder nicht geschafft habe, meiner Sehnsucht nach mehr Ruhe und Besinnlichkeit in der Vorweihnachtszeit Raum zu geben. Noch könnte ich innehalten und eine Pause machen. Ich muss mich nämlich gar nicht von der allgemeinen Weihnachtshektik anstecken lassen. Ich muss nicht noch unbedingt in diesem Jahr diese oder jenen treffen, nur damit ich den längst fälligen Termin abhaken kann.

Ich muss auch nicht noch diesen oder jenen Film ansehen und alle Bücher auslesen, die auf meinem Schreibtisch liegen. Gar nichts muss ich. Außer mir das Mantra von Zeit zu Zeit gebetsmühlenartig auf zusagen. Du musst nicht! Du musst nicht. Du musst…..

Ich gehöre sicher nicht zu den Menschen, die ihre Kindheit verklären, die der Meinung sind, früher wäre alles besser oder schöner gewesen. Nur im Dezember, da wünsche ich mir, ich wäre noch einmal Kind. Dann träume ich von sich endlos hinziehenden dunklen Nachmittagen, von den Kerzen auf dem Adventskranz, den meine Großmutter selbst geflochten hatte. Ab und zu hielt ich eine Tannennadel in die Flamme. „Du sollst doch nicht kokeln. Wieso kannst du denn nicht hören?“

Stundenlang saß ich mit meinen Großeltern in dem einzigen Zimmer unserer kleinen Laube, eine Unterhaltung gab es nicht. Ich hatte ein Heft mit Weihnachtsliedern vor mir, meine Tante aus dem Westen hatte es mir geschickt. Es war von Tschibo oder Eduscho. Lesen musste ich darin nicht, ich kannte die Texte längst auswendig. Am Kamin ist ein Plätzchen, das gehört unsrem Kätzchen, sie teilt es mit dir, dann wandern wir vier, leise durch den weißen Winterwald. Ich habe mich so gelangweilt.

Damals wusste ich noch nicht, dass ich mich eines Tages nach diesem Schweigen, diesem langen Sitzen bei Kerzenschein, allein mit den Gedanken in meinem Kopf, zurück sehnen würde. Ich wusste nicht, wie schwierig es ist, als Erwachsener Dinge zu tun, die einem als Kind ganz normal vorkommen. Ich wusste nicht, dass man sich später mühsam daran erinnern muss, dass man keinen anderen für die Hektik und den Stress, unter denen man leidet, verantwortlich machen kann, außer sich selbst. Dass es auch anders geht und dass man dafür eigentlich nur eine Kerze und ein Streichholz braucht. Und eine Stunde. Oder eine halbe. Wenigstens.

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