Es regnet einen feinen leichten Landregen. Irgendwo in der Nähe brummt eine Maschine. Ein kleiner blauer Traktor veranstaltet den Lärm. Der Mann ist beleidigt. Seine ersten Worte heute, nachdem er die Augen aufgeschlagen hatte: „Bei dem Wetter bleibe ich im Bett“. Dabei sind wir gestern  noch bei strahlenden Sonnenschein nach Zingst gefahren und am Meer spazieren gegangen. Der Ort ist recht übersichtlich. Es gibt schöne alte Straßen mit schmalen Bürgersteigen rechts und links, auf denen Gras wächst. Trotzdem fehlt ihm der Charme Ahrenshoops.

Immer wieder komme ich auf Ahrenshoop zurück. Kann man sich in einen Ort verlieben?

Ich habe noch immer nichts gearbeitet. Wenn ich mich nicht ein klein wenig anstrenge, wird es vielleicht gar nichts mehr. Ich habe keine Ahnung, wie ich das im letzten Jahr gemacht habe. Wenn ich nicht kontinuierlich dranbleibe, werden die Abstände zwischen den Schreibphasen immer größer, proportional dazu wächst meine Unlust.

In den letzten Tagen habe ich überlegt, ob ich aus Annas Vater einen Buddhisten mache, der ihr etwas über das Annehmen beibringt. Aber ich habe die Idee wieder verworfen. Genauso, wie ich den Buddhismus für mich selbst verworfen habe. Mit Dharma, Karma und Nirvana kann ich nichts anfangen. Die Worte hören sich wunderbar an, ihre Bedeutung erschließt sich mir jedoch nicht. Es spielt auch keine Rolle, ob der Buddhismus nun wissenschaftlich ist oder nicht. Die lange Tradition des Christentums scheint irgendwo in meinen Genen verankert, auch wenn ich mit Religion und Kirche nichts anfangen kann. Und doch bin ich, wie so viele andere, eine Suchende. Ich scheue mich nur zu sagen, dass ich Gott suche. Weil es vielleicht gar nicht um Gott geht. Es geht um Frieden. Ich suche inneren Frieden. Wenn das Gott ist, meinetwegen.
Da hat es Richard Gere besser. Zu ihm passt auch der Buddhismus. Wenn er sich mit dem Dalai Lama trifft, finde ich das toll. Richard soll sogar Yoga machen. Ist das nicht großartig? Und wenn er dann noch etwas über Mitgefühl sagt und Frieden, dann sperre die Ohren auf. Bin begeistert. Der Buddhismus soll den Geist schulen. Damit der Mensch Befreiung von Tod und Wiedergeburt findet. Die Schüler finden in der Stille zwischen zwei Gedanken die Natur des Geistes. Auf sie wartet die Erkenntnis, dass alles eins ist. Dass wir nicht getrennt sind. Und was können die Christen dem entgegen setzen? Die wollen sich mit Gott vereinen. Für sie gibt es keine Schulung. Nur blinden Glauben. Das ist doch wirklich sehr altmodisch. Und dann noch diese Geschichte vom gekreuzigten, gemarterten Jesus, der all unsere Sünden auf sich genommen hat. Damit wir Menschen frei sind.

Über diesen Teil des Christentums kann ich leider nicht einfach hinweg sehen. Zumal Mel Gibson gerade diesen  schrecklichen Film gemacht hat. Was bezweckt er mit seinem Werk? Will er mich belehren? Unser Herr Jesus hat so gelitten, nun jammere du nicht? Leide ruhig und dulde? Sieh doch nur, wie gering dein eigenes Leiden im Vergleich zu seinem ist? Ist es das? Sollen wir unsere Peiniger segnen? Den Chef, der mich fertig macht, weil ich vielleicht nicht effektiv genug arbeite? Die Firmen, die ihren Müll auf dem Meer verklappen? Die Politiker, die Wasser predigen und Wein trinken?
Ich mag es nicht, wenn man mir immer wieder sagt: „Sieh doch nur, er hat es auch wegen dir getan.“ Dann komme ich mir schon schuldig vor, bevor ich irgendetwas angestellt habe. Dazu kommt noch, dass mir dieser Gott einfach zu riesig ist. Er hat die Macht, mich zu zerquetschen. Ich liege vor ihm im Staub und flehe um Gnade. Das ist kein schönes Bild und erst recht keine schöne Vorstellung. Er richtet über meine Wünsche und mein Begehr. „Du hast gesündigt, du wirst keine Schriftstellerin. Du musst bei deiner Firma bleiben, das ist deine Buße.“ „Du hast mich gepriesen, dir schenke ich Arbeit.“
Andererseits sollte ich mir das mit dem Buddhismus vielleicht noch einmal überlegen. Die Buddhisten versprechen nicht die Erlösung im Himmel, die fordern von mir auch nicht, dass ich mir das Kreuz und die Dornenkrone zum Vorbild nehme. Die sagen so einfache Dinge. Trainiere deinen Geist, übe, sei achtsam und mitfühlend. Führe ein Leben, in dem du auf die wirklich wichtigen Dinge achtest. Dann wirst du noch zu Lebzeiten erleuchtet und damit erlöst. Du musst auch nicht vorher sterben. Setz dich hin, meditiere, singe ein Mantra, sei bescheiden. Und du wirst erkennen, was Freiheit wirklich bedeutet. Du sollst nicht anhaften und nicht begehren. Eigentlich recht simpel.

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