Der Mann war beim Bäcker und hat Milchbrötchen und Persipanschnecken mitgebracht. Gestern haben wir einen Ausflug nach Warnemünde gemacht. Eine weiße Stadt am Meer, mit einer breiten Flaniermeile und einem noch breiteren Sandstrand. Die Seitenstraßen laden zum Bummeln ein. Häuser mit spitzen Dächern, kleine Terrassen in der ersten Etage, direkt vor dem Dach. Das Licht ist anders dort. Alles erschien mir heller, strahlender. Wahrscheinlich hat die DDR deswegen das hässliche Neptun-Hotel dort hingeklotzt.

Am besten hat es mir am Alten Strom gefallen, der tief ins Land hineingeht und auf dem die Masten der Schiffe direkt neben den Spaziergängern schaukeln. In einem kleinen Tante-Emma-Laden haben wir Milch und Eier gekauft. Es war eisig kalt, der Wind kühlte meine Ohren aus, ich schlotterte vor Kälte. Der Mann machte sich über mich lustig. Ob ich vielleicht eine Pelzmütze kaufen wolle?

Gestern Abend haben wir eine Dokumentation über die Schriftstellerin Asta Scheib gesehen, die mir nicht aus dem Kopf geht. Eine ältere Frau, die mit ihrem 15 Jahre jüngeren Mann in einem riesigen Haus in München lebt, immer zu neunt oder zehnt; erwachsene eigene Kinder, Enkelkinder, die jüngeren Kinder ihres Mannes. Morgens geht sie durch alle Räume und weckt die Menschen. Einmal im Jahr veranstaltet sie ein Weiberfrühstück. Da haben Kolleginnen die Möglichkeit, aus Werken zu lesen, an denen sie gerade arbeiten. Frau Scheib sagte etwas Wichtiges. Ihre journalistische Arbeit könne jede gute Journalistin machen. Aber ihre Bücher kann nur sie selbst schreiben. Ihre wiederkehrenden Themen sind die Freiheit des einzelnen. Und wie er diese auch unter widrigen Umständen verteidigt oder findet. Meine Arbeit im Büro kann auch jede/r machen. Aber mein Buch schreiben? Kann vermutlich auch jeder.

Der Mann erklärt sich meine Begeisterung für Dokumentationen übrigens damit, dass ich eben doch eine Voyeurin bin. Stimmt. Ich sehe mir gern so ein Leben aus der Ferne an. Dann bin ich froh, dass es Menschen gibt, die interessante Lebensmodelle haben. Das muntert mich auf. Spornt mich an. Es gibt eben doch so viel mehr als die Kleinfamilie. Außerdem mag ich Menschen, die träumen. Die ihre Träume dann auch leben. Dabei spielt es keine Rolle, wie alt sie sind. Und ob die Vision zu hundert Prozent wahr wird, ist auch unerheblich. Wichtig ist, dass man sich für etwas einsetzt, das einem am Herzen liegt. Eine saubere Umwelt meinetwegen. Mehr soziale Gerechtigkeit.

In Warnemünde habe ich mir ein schmales Yogabändchen gekauft. Ich habe mir vorgenommen, wieder mit den Übungen anzufangen. Dem Rücken wird es gut tun. Und dann möchte ich dem Mann endlich Stellshagen zeigen. Es ist zwar nicht gerade um die Ecke, aber ich fahre so gern mit ihm über Land. Und mir bedeutet dieser Ort so viel, ich bin immer so glücklich dort. Er kennt ihn nur von meinen Beschreibungen. Ich vermute, er hält mich für überschwänglich. So schön kann es da doch gar nicht sein. Auch all die anderen – überwiegend Frauen – sind überschwänglich. Seiner Meinung nach gibt es Orte, die hauptsächlich für Frauen sind. So wie es Frauenfilme, Frauenbücher gibt. Sagt er.

Gibt es Männerorte? Bad Kleinen vielleicht. Vor ein paar Jahren habe ich dort mit zwei Freundinnen eine Stunde in der Bahnhofsmission gesessen, es gab heißen Tee, kostenlos sogar, ein alter Mann faselte unentwegt von den großen Leistungen der SS, und die Dame von der Bahnhofsmission ließ uns wissen, dass er sonst so ein lieber Kerl sei. Durchgeknallt, aber nett. Alte Nazis, Terroristen und die GSG 9, das kann nur ein Ort für Männer sein. aber darüber kann ich nicht länger nachdenken, weil ich jetzt arbeiten muss.

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