Anstatt in Tauberbischofsheim mit alten Freunden Sylvester und Geburtstag zu feiern, sitze oder liege ich bei mir oder bei dem Mann auf dem Sofa, fülle in regelmäßigen Abständen heißes Wasser in meine Wärmflasche, lasse mir Tee, Zwieback und Salzstangen servieren oder schlurfe selbst in die Küche, um die Dinge zu holen. Den halben Tag verschlafe ich, wahrscheinlich kein Wunder, wenn es nachts schlecht klappt. Da tut mir der Rücken weh, der Bauch, der Magen, und spätestens um 5.00 Uhr wache ich auf, weil mir übel ist.

Egal, ob ich mir den Magen verdorben oder diesen blöden Virus eingefangen habe, mir reicht es jetzt langsam. Vier Tage Sofa sind genug. Ein Gutes hat die Angelegenheit allerdings, ich lese mich durch meine Weihnachtsgeschenke. „Im Schreiben zu Haus“, das dicke Buch mit Fotografien und Gesprächen, das mir die Mädels geschenkt haben, ist zur Hälfte geschafft. Es war eine wunderbare Idee von Frau Koelbl, Autoren über ihre Arbeitsgewohnheiten, ihre bevorzugten Utensilien und Orte, ihren Antrieb zu befragen, über die Freuden und Leiden beim Schreiben. Vor allem die Auskünfte der Frauen haben mir gut gefallen. Von Sarah Kirsch würde ich mich glatt adoptieren lassen. So viel gelebtes Leben, so viel Wärme und Klugheit. Am liebsten würde ich das Buch nur in kleinen Dosen lesen, damit ich möglichst lange etwas davon habe.
Herr Walser fällt ein wenig aus dem Rahmen, weil er unentwegt drumherum redet, sich spröde und gespreizt benimmt. Wahrscheinlich war er einerseits froh, dass man für dieses Projekt auch ihn gedacht hat, andererseits tut er so, als wäre es ihm lästig, Fragen zu beantworten. Außerdem gäbe es immer etwas, das nicht gesagt werden kann. Und von dem, was bisher schon von ihm gesagt wurde, war vieles sowieso nur eine „verkürzte und windige Improvisation über eine…..Erfahrung“. Deswegen ist es besser, gar nichts mehr dazu zu sagen.

Herr Walser hält das ICH eines Schriftstellers per se für beschädigt. Das gefällt mir nun wieder, aber welches ICH ist nicht beschädigt? Der Schriftsteller schreibt also, weil ihm etwas fehlt. Und das, was ihm fehlt, fällt ihm ein. Und dann möchte er auch noch geliebt werden, jedenfalls gibt Herr Walser das zu. Wobei ich sagen würde, es geht um das gesehen werden, aber vielleicht ist es ja dasselbe. Jemand sieht mich, wie ich bin, wie ich denke und ticke, und dann kann er nicht anders, als mich zu lieben. Schön.
Leider sind einige der Schriftsteller inzwischen gestorben. Jurek Becker, Hilde Domin, Ernst Jandl, Wolfgang Hilbig, Walter Kempowski, es ist halt schon ein älteres Buch. Aber für mich neu, und da ich ein bekennender Biografie-Junkie bin, also ein Mensch, der gern in fremde Leben hinein schaut, ist es der feinste Stoff. Nach einer solchen Lektüre bin ich gestärkt. Gewappnet gegen Dummheit auch, da könnte ich mir sogar noch einmal 15 Minuten Talkshow mit Nina Hagen ansehen.
Draußen wird schon eifrig geknallt, wahrscheinlich wird es um Mitternacht heftig. Falls ich mich in der Lage fühle, werden wir zum Kanzlerinnenamt laufen. Von dort hat man einen guten Blick auf das Feuerwerk. Letztes Jahr hatten wir unseren Lieblings-Cava dabei, darauf werde ich heute wohl verzichten. Nur der Pfefferminztee hört mein Seufzen.

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