Das dicke Buch „Americanah“ hatte mir meine Mannheimer Freundin zu Weihnachten geschickt. Eine Weile lag es unter dem Baum, dann auf dem Tisch, später im Regal. Während ich mich mit dem autobiografischen Text „Der Stift und das Papier“ von Hans-Josef Ortheil beschäftigte und dabei immer wieder mit meinem Gefühlen kämpfen musste. Neid ist eben alles andere als nett. Aber bei der Beschreibung dieser Schreibschule, die der kindliche Autor durch seine Eltern erfahren hat und über die er als Erwachsener in vertrauter Art und Weise berichtet, was soll eine Schreiberin denn da beim Lesen fühlen?

Auch das neueste Buch von Joachim Meyerhoff wartete auf mich, das habe ich mir selbst geschenkt. „Ach diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“, allein die Wahl seiner Titel ist ja schon auffallend anders. Diesen Autor habe ich erst Ende letzten Jahres entdeckt, aber nun kenne ich alle drei Teile seines autobiographischen Zyklusses „Alle Toten fliegen hoch“. Im ersten Teil geht es vor allem um das Jahr, das der Autor und Ich-Erzähler als Austauschschüler in Amerika verbracht hat, im zweiten Teil erzählt er von seiner Kindheit und Jugend inmitten der psychiatrischen Anstalt, die sein Vater leitete. Die Familie des Direktors lebte in einem Haus auf dem Gelände. Im dritten und vorerst letzten Teil erinnert sich Joachim Meyerhoff – der außerdem noch als sehr guter Schauspieler gepriesen wird – an seine Zeit in München, als er sich an der  Schauspielschule quälte und bei seinen Großeltern wohnte. Allein wie er dieses alte Ehepaar beschreibt, das den Tag mit Champagner beginnt (nicht ganz korrekt, eigentlich fängt es beim morgendlichen Gurgeln an), das ist so zugewandt, manchmal komisch, dann wieder rührend, kein Wunder, dass ich schon wieder mit kleinlichen Neidgefühlen zu tun hatte. Menschen so zum Lachen und zum Weinen zu bringen, manchmal alles in einem, das muss man erst mal hin bekommen.

Nach dieser Lektüre hatte ich dann keinen Grund mehr, nicht wenigstens einen Blick in das dicke Buch von Chimamanda Ngozi Adichie zu werfen. Americanah. Nach einer halben Seite war ich bekehrt und bereit, die Nacht und den nächsten Tag durchzulesen, was ich mir dann allerdings verboten habe. Bei besonderen Büchern mache ich das. Da beschränke ich mich pro Tag auf eine bestimmte Anzahl von Seiten und versuche, das Ende so lange wie möglich hinauszuzögern.

Der Roman erzählt von zwei Nigerianern -Ifemelu und Obinze, einst waren sie ein Paar – die sich aus den Augen verlieren, nachdem Ifemelu zum Studium nach Amerika gegangen ist. Obinze kommt später als illegaler Einwanderer nach London, wird wieder abgeschoben, und dann treffen die beiden in Nigeria wieder aufeinander. Es ist nicht nur eine Liebesgeschichte, die da ganz schnörkellos erzählt wird, es ist viel mehr noch eine Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus. Aus diesem Grund würde ich dieses Buch nicht nur als Schullektüre empfehlen, ich würde es vor allem AfD- und Pegida-Anhängern ans Herz legen. Obwohl das vermutlich auch nichts nützen würde. Wer immer nur in seinem kleinen Teich quaken will, der wird auch nicht zu der Einsicht kommen, dass das, was Menschen ihre Heimatländer verlassen lässt, manchmal „nur“ der Hunger nach Wahlmöglichkeiten und nach Sicherheit ist. Und dass es sich bei diesen Bedürfnissen um legitime Menschenrechte handelt. So lange es also Länder gibt, die ihren Bewohnern diese Rechte verwehren, so lange werden sich die Menschen auf den Weg machen.

Mich muss man in diesem Punkt nicht bekehren, dafür habe ich etwas Anderes festgestellt. Ich bin ein Snob (oder eine Rassistin), weil ich einen großen Teil Literatur ignoriere. Weil ich mir denke, das wird mich nicht interessieren, das ist bestimmt in einer Sprache geschrieben, die mir nicht gefällt, das hat doch wenig mit mir zu tun, und das ist auch ziemlich dumm. Ich muss mehr über meinen Teich hinaussehen.

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